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Besser "Expresslehre" statt Uni

Von Rosa Eder-Kornfeld

Politik

WKO-Präsident Christoph Leitl wärmt die Idee der Matura mit Lehre wieder auf. | Die Bildungsreform geht der Kammer nicht weit genug.


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Wien. "Jeder Zweite, der an die Uni geht, kommt ohne Abschluss wieder heraus", weiß Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Wenn es nach ihm ginge, sollte es nach der Matura möglich sein, nach einem intensiven Praxisjahr auch noch einen Lehrabschluss zu machen. Das wäre vor allem für AHS-Absolventen eine Option.

Neu ist diese bildungspolitische Vision Leitls nicht. Im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) hält man nach wie vor nichts von einer "Expresslehre für Maturanten". Ein Jahr sei zu wenig Zeit, um die praktischen Seiten eines Berufs ordentlich zu lernen, kritisiert Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Vor allem in den technischen Berufen könnten mit "Matura mit Lehre" die Qualitätsstandards nicht erreicht werden. Stattdessen sollte die "Lehre mit Matura" allen Jugendlichen offenstehen. Lehrlinge im Handel oder in der Gastronomie könnten wegen der Arbeitszeiten und Dienstpläne oft nicht an dem Modell teilnehmen. Zurzeit sind es rund 11.000 Jugendliche, die neben der Lehre für die Matura pauken. "Es muss einen Rechtsanspruch auf ‚Lehre mit Matura‘ in der Arbeitszeit geben", fordert der ÖGJ-Vorsitzende.

Lehrlinge empfehlendie Lehre

Insgesamt gibt es in Österreich zurzeit (Stichtag 31.3.2016) rund 102.000 Lehrlinge, das sind um 4 Prozent weniger als vor einem Jahr. Rund 93.000 von ihnen sind in betrieblicher Ausbildung (minus 4,9 Prozent).

Laut einer Lehrlingsumfrage des Market-Instituts sind sieben von zehn Lehrlingen mit ihrem Arbeitsplatz sehr zufrieden. Fast 100 Prozent der rund 1100 befragten Jugendlichen aus allen Branchen finden, dass eine Lehre empfehlenswert ist. Diese Art von "Werbung" kann die Wirtschaft gut gebrauchen, denn die Unternehmen tun sich vielerorts schwer, geeignete Lehrlinge zu finden, die sie zu Fachkräften ausbilden. Seit den 1980er Jahren ist der Anteil der 15-Jährigen, die eine AHS oder BHS (Berufsbildende Höhere Schule) besuchen, zu Lasten der BMS (Berufsbildende Mittlere Schulen) und Polytechnischen Schulen stark gestiegen.

Da das Bildungsniveau von Pflichtschulabsolventen nach neun Jahren Schule oft zu wünschen übrig lässt, fordert die Wirtschaftskammer eine Neudefinition der Schulpflicht. Sie soll nicht durch Zeitablauf, sprich: "Absitzen" der neun Jahre, enden, sondern durch Erreichen von Mindeststandards im Lesen, Rechnen und Schreiben. Dies wäre einmal ein richtig großer Reformschritt, so der Leiter der bildungspolitischen Abteilung der WKÖ, Michael Landertshammer. Er begrüßt den Ausbau der individuellen Berufsorientierung ab der 8. Schulstufe in dem von den Regierungspartnern ausverhandelten Schulrechtspaket, fordert darüber hinaus aber auch die Einführung eines verpflichtenden Faches Berufsorientierung an der AHS-Unterstufe.

Duale Ausbildung für Flüchtlinge

Die Wirtschaftskammer will jugendlichen anerkannten Flüchtlingen aus Wien eine laut Leitl "sinnvolle berufliche Perspektive" bieten und vermittelt gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) überregional offene Lehrstellen in Berufen mit Lehrlingsmangel.

Voraussetzungen sind unter anderem Mindestkenntnisse der deutschen Sprache (B1-Niveau), allgemeine Berufstauglichkeit und Bereitschaft zur Mobilität innerhalb Österreichs.