Landwirtschaftliche Familienbetriebe sichern Lebensgrundlagen.
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100 Jahre nach dem Ersten und 75 nach dem Zweiten Weltkrieg können sich nur noch alte Menschen daran erinnern, dass die ausreichende Versorgung mit Ernährungsgütern keine Selbstverständlichkeit ist. Verwüstete Städte und Dörfer sowie die Vernichtung von 200.000 Hektar landwirtschaftlicher Böden in Österreich sowie 10.000 zerstörte Bauernhöfe haben tiefe Spuren in der Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen hinterlassen. Im Großraum Wien konnten 1945/46 kaum mehr als 300 Tageskalorien aufgebracht werden. Heute leben wir in einer Überflussgesellschaft. Das Essen, das europaweit im Müll landet, würde zweimal ausreichen, um alle Hungernden in der Welt zu ernähren. Im Durchschnitt werden in Österreich je Haushalt Ernährungsgüter im Wert von 300 Euro pro Jahr in den Müll entsorgt. Jedes fünfte Brot wird weggeworfen, was einer Anbaufläche von 20.000 Hektar Getreide entspricht. Supermärkte entsorgen täglich 45 Kilo genießbare Lebensmittel, vor allem Obst und Gemüse. Agrarpolitiker fordern zu Recht mehr Wertschätzung für Lebensmittel.
Die UNO stellte heuer mit dem "Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe" die Verantwortung der Land- und Forstwirtschaft für den Schutz der Lebensgrundlagen in den Vordergrund. Bäuerliche Familienbetriebe prägen weltweit die Agrarstruktur und dokumentieren die Verbindung zwischen Eigentum, Arbeit, Verantwortung, Erfolg und Risiko. Bauern schaffen die Basis: Ernährung, Landschaft, Rohstoffe und Umwelt.
Ein Landwirt ernährt 78 Menschen, für fast drei Viertel der Staatsfläche sind die 165.000 land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verantwortlich. Seit dem EU-Beitritt vor 20 Jahren haben aber jährlich durchschnittlich 3600 bäuerliche Familien die Hoftore für immer geschlossen.
Die Schöpfung bewahren und die Bauern schützen - das ist auch eine Botschaft der christlichen Glaubensgemeinschaften mit dem Ziel, mehr Verteilungsgerechtigkeit in einer endlichen Welt zu schaffen. Die UNO widmet dem Thema ein eigenes Gebet ("Verantwortung für die Welt", zu finden auch im "Gotteslob" der katholischen Kirche).
1997 wurde das Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes auf Basis österreichischer Vorschläge zum Europäischen Agrar- und Lebensmodell (ökonomisch, ökologisch, sozial, wettbewerbsfähig) weiterentwickelt. Bäuerliche Familien fordern zu Recht einen fairen Anteil an der Wertschöpfungskette von den Produzenten bis zu den Verbrauchern. Sie sind aber auch darauf angewiesen, ihre Betriebe in funktionsfähigen ländlichen Regionen bewirtschaften zu können.
Vordringlich ist deshalb, der Abwanderung vor allem junger Menschen aus den ländlichen Räumen entgegenzuwirken, dem Rückbau der Infrastruktur Einhalt zu gebieten und das Sozialkapital als Schlüssel für den Zusammenhalt verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu fördern. Die Raumordnungsbestimmungen, Flächenwidmungen sowie Siedlungs- und Verkehrspolitik in den ländlichen Regionen sind zu überdenken, um die Verbauung von täglich 22 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zu stoppen. Ein lebenswertes Österreich braucht eine Lebensraumstrategie mit einem vernünftigen Ausgleich zwischen ökonomischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Ansprüchen.