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Besser statt billiger

Von Heike Hausensteiner

Wirtschaft

Kompliziertes EU-Vergaberecht macht Beratung unumgänglich.


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Wien. Rohre oder Computer müssen getauscht werden. Wenn bei einer öffentlichen Stelle, des Bundes, der Länder oder Gemeinden, ein derartiger Auftrag ansteht, muss dieser ausgeschrieben werden. Geht es um Lieferungen oder Dienstleistungen, die mit 200.000 Euro oder mehr zu Buche schlagen, ist eine EU-weite Ausschreibung notwendig, ebenso bei Bauprojekten ab fünf Millionen Euro. Doch das EU-Vergaberecht ist auf Grund seines "Mischcharakters" aus nationalem und EU-Recht kompliziert.

Auftraggebern und Bietern greifen daher spezialisierte Anwälte und teilweise Unternehmensberater oder Ziviltechniker unter die Arme. Der Bund kann auf die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) zurückgreifen, die dem Finanzministerium unterstellt ist.

Bei den privaten Verfahrensbegleitern ist in Österreich die Wiener Kanzlei "Heid Schiefer Rechtsanwälte" führend: Im Vorjahr wickelte die Kanzlei 46 EU-weite Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich (OSB) ab, im Jahr davor waren es 37. Damit ist sie laut EU-Ausschreibungsdatenbank TED seit zwei Jahren der meistbeschäftigte private Verfahrensbegleiter. Gesamtvolumen der betreuten Verfahren: 750 Millionen Euro; neben dem Infrastruktur- und Bausektor dominierten Gesundheit und Soziales, Arbeitsmarktverwaltung sowie Personennahverkehr. Das größte 2011 von Heid Schiefer abgewickelte Einzelprojekt war die IT-Neuausschreibung des Arbeitsmarktservice (AMS) mit einem Auftragsvolumen von mehr als 170 Millionen Euro.

Im Interview mit der "Wiener Zeitung" erklärt Martin Schiefer die Spitzenreiterposition der Sozietät mit dem "absoluten Dienstleistungswillen". Bei der Gründung vor zwölf Jahren habe man sich das Credo verordnet, "wir wollen auf diesem Spezialgebiet zu den Besten gehören". Also nahmen die beiden Jung-Anwälte Stephan Heid und Martin Schiefer im Jahr 2000 einen Kredit auf und begannen, ihre "Boutique" in der Vergaberechtsberatung aufzubauen. Waren es am Beginn in erster Linie Bieterverfechtungen, stehe man jetzt "im Verhältnis von 80 zu 20" auf Auftraggeberseite. Dank Rechtsberatung würden sich formale Fehler und das damit verbundene meist kostspielige Ausscheiden von Angeboten leicht vermeiden lassen. Das bringe den Klienten Einsparungen in Millionenhöhe.

Chancen erkennen,

Fallen vermeiden

"Unsere Aufgabe besteht darin, in Ausschreibungsprozessen Chancen zu erkennen und Fallen zu vermeiden beziehungsweise Stolpersteine zu beseitigen", unterstreicht Martin Schiefer. Ob es etwa rechtswidrige Festlegungen gibt - was "in Zeiten enger werdender Märkte häufiger vorkommt".

Häufige Fehler auf der Seite der Auftraggeber seien zudem, dass diese "nicht genau sagen, was sie wollen" oder dass sie die Ausgangssituation nicht richtig analysieren. Interessierte Auftragnehmer hingegen würden oft den großen Fehler machen, dass sie eine Ausschreibung nicht genau vom Anfang bis zum Ende lesen. "Wer sich in Vergabeverfahren rechtzeitig professionell vorbereitet und die notwendigen Schritte setzt, spart sich am Ende viel Geld und allenfalls Ärger", so Schiefer, der die Vorgehensweise plakativ mit der zahnmedizinischen Prophylaxe vergleicht.

Gerade Unternehmen, die erstmals an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen, raten die Vergaberechtsspezialisten denn auch - wenig überraschend - zu professioneller juristischer Unterstützung. Immerhin geht es um sehr viel Geld. Die öffentliche Hand ist mit einem Auftragsvolumen von 48 Milliarden Euro (17 Prozent des BIP) der lukrativste Auftraggeber Österreichs. Dazu kommt, dass die Vorgaben im Vergaberecht ständig in Bewegung sind. Eben erst novelliert, wird bereits an neuen EU-Vorgaben gefeilt. Deren Inkrafttreten erwartet Schiefer in zwei bis drei Jahren und empfiehlt allen Beteiligten, ihren Wissensstand laufend zu überprüfen.

"Lebenszyklusbetrachtungen" und das Umsetzen von nachhaltigen Projekten sind Bereiche, mit denen sich Heid und Schiefer ebenfalls seit Jahren beschäftigen. Der Billigstbieter ist nämlich nicht unbedingt auch der - langfristige - Bestbieter. Auf EU-Ebene ist bereits eine Richtlinien-Verordnung zur verpflichtenden Einbeziehung von Lebenszyklus-Kosten bei der Ermittlung des Bestbieters in Vorbereitung.