Doppelbesteuerung von Filial-Gewinnen und Zinsen gebannt. | Experte: "Fiskus hat Standortnachteil beseitigt." | Wien. Mitten in der Wirtschaftskrise greift die Finanz österreichischen Unternehmen, die in bestimmten Auslandsmärkten aktiv sind, mit einer kräftigen Steuererleichterung unter die Arme. Dabei geht es um jene Abgaben, die Zweig-niederlassungen heimischer Firmen im Ausland auf ihre Gewinne bezahlen müssen, sowie um Steuern auf Zinsen und Lizenzgebühren, die ebenfalls im Ausland anfallen.
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Doppelbesteuerungsabkommen mit einigen Ländern - etwa den USA, Großbritannien, Irland und Italien - sehen vor, dass derartige Gewinne und Einkünfte in Österreich ebenfalls besteuert werden. Bereits im Ausland bezahlte Steuern werden dabei allerdings angerechnet, sodass im Normalfall keine Doppelbesteuerung entsteht.
Roland Rief vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young verweist jedoch darauf, dass nicht mehr Steuer anrechenbar ist, als in Österreich anfallen würde. Schreibt nun das gesamte Unternehmen einen Verlust oder zu wenig Gewinn, besteht die Gefahr, dass nicht die gesamten im Ausland entrichteten Steuern beim Fiskus geltend gemacht werden können. Umgekehrt sorgen die Auslandseinkünfte allerdings dafür, dass ein allfälliger Verlustvortrag im Inland geringer ausfällt. De facto ergibt sich somit eine Doppelbesteuerung.
Neue Interpretation
"Wir haben das im vergangenen Jahr mehrfach gesehen", so Rief. Vor allem in Zusammenhang mit großen Wirtschaftsräumen wie den USA oder Großbritannien handle es sich um "keine Einzelfälle". Betroffen seien alle Unternehmen, die Zinsen oder Lizenzgebühren aus entsprechenden Ländern erhalten oder die dort über Betriebsstätten verfügen.
Nun ist allerdings der heimische Fiskus im Frühjahr 2009 zu der Auffassung gelangt, dass nicht angerechnete ausländische Steuern auch zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden können. Laut Rief handelt es sich dabei um eine Neuinterpretation der bestehenden Gesetzeslage. Damit sei ein schwerwiegender Standortnachteil beseitigt worden, den es in anderen Staaten nicht gebe.
Rief schätzt, dass dem Fiskus durch diese neue Anrechnungsmöglichkeit pro Jahr Steuern "jedenfalls im oberen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich" entgehen. Es sei allerdings noch nicht klar, über wie viele Jahre hinweg die Anrechnung vorgenommen werden kann. Diese Frage müsse - inklusive weiterer Details - noch vom Finanzministerium beantwortet werden. Rief rechnet mit einem Anrechnungszeitraum von mindestens fünf Jahren, dies sei nämlich die allgemeine Verjährungsfrist im Abgabenrecht. Theoretisch wäre es auch möglich, die Anrechnung zeitlich unbegrenzt zu ermöglichen, meint der Experte.
Keine Umgehung mehr
Freilich haben manche Unternehmen in der Vergangenheit Möglichkeiten gefunden, diese Form der Doppelbesteuerung von Vornherein auszuschließen - etwa, indem sie ihren Firmensitz offiziell in ein anderes Land verlegt haben. Dies scheint nun nicht mehr notwendig.
Die neuer Regelung erinnert an die 2005 eingeführte Gruppenbesteuerung, die es heimischen Konzernmüttern erlaubt, Verluste ausländischer Tochtergesellschaften steuerlich geltend zu machen.