Brite Suma Chakrabarti ist zum neuen Präsidenten der EBRD gewählt worden.
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London. Der Brite Suma Chakrabarti ist zum neuen Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) gewählt worden. Dies sei am Freitag bei einer Aktionärsversammlung in London beschlossen worden, teilte die Bank am Abend mit. Chakrabarti werde den Vorsitz bis 2016 innehaben. Er übernimmt das Amt von dem Deutschen Thomas Mirow, der sich um eine Wiederwahl bemüht hatte. Der SPD-Mann war von der Bundesregierung aber nicht mehr unterstützt worden.
Die EBRD war 1991 gegründet worden, um marktwirtschaftliches Vorgehen in den Ländern der Ex-Sowjetunion zu fördern. Osteuropa braucht ein neues Wachstumsmodell, war der kleinste gemeinsame Nenner bei der am Freitag in London gestarteten Jahrestagung der Osteuropa-Förderbank. "Es bereitet mir Sorgen, dass die Länder Mittel- und Osteuropas bei der Diversifizierung ihrer Volkswirtschaften immer noch hinterherhinken", meinte der am Freitag Nachmittag noch um seine Wiederwahl kämpfende und nun ehemalige EBRD-Präsident Mirow. Sie müssten ihre Abhängigkeit vom Rohstoffsektor reduzieren und in der Wertschöpfungskette weiter nach oben gelangen.
Die Zeiten des - weitgehend durch westeuropäische Banken finanzierten - schuldengetriebenen Wachstums seien vorüber, meinte wiederum der Gouverneur der polnischen Zentralbank, Marek Belka. Stattdessen könnten EU-Fördergelder und bestimmte Formen von ausländischen Direktinvestitionen helfen. Der sicherste Weg, nachhaltiges Wachstum zu finanzieren, wäre jedoch, lokal vorhandene Gelder wie Spareinlagen heranzuziehen. Derzeit seien westliche Banken dabei, die Kreditvergabe in ihren Auslandsmärkten zu reduzieren, so Belka. Das könne für einige Staaten problematisch sein.
Den Sorgen vor einer Kreditklemme trat Gianni Franco Papa, Chef der Osteuropa-Sparte der italienischen Bank-Austria-Mutter Unicredit, entgegen: Geringeres Kreditwachstum sei keine Folge der Bilanzbereinigung in den Banken. "In der Realität ist es mehr eine Sache der geringen Nachfrage", sagte Papa. Zwar hätten manche Mitbewerber ihr Engagement in der Region aufgegeben, dies wäre jedoch von anderen Großbanken übernommen worden. "Das ist immer noch eine Region, in der man investieren kann", meinte Papa.
Stärkerer Fokus auf exportnahe Industrie nötig
Was das gesamte Wirtschaftsmodell anbelangt, hält man bei Unicredit einen stärkeren Fokus auf exportnahe Industriesparten für nötig. Früher sei viel Geld in den Immobilien- und den Bausektor geflossen, erklärte Papa. Das müsse korrigiert werden. Investitionen müssten in Industrie und Produktion stattfinden. "Das ist, was Banken zur Stärkung der Wirtschaft beitragen können."
Allerdings ist es gerade jetzt der Exportsektor, der in vielen osteuropäischen Staaten für eine deutliche Verlangsamung des Wachstums sorgt. EBRD-Chefvolkswirt Erik Berglof erklärte, dass im Zuge der Staatsschuldenkrise Exporte aus der Region in die Eurozone substanziell zurückgegangen seien. Zweiter Grund für das nachlassende Wachstum - in manchen Ländern könne man auch bereits von einer "technischen Rezession" sprechen - sei sehr wohl der Kapitalabfluss und die geringere Kreditvergabe.
"Wir befinden uns in sehr herausfordernden Zeiten", erklärte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter, die turnusmäßig dem EBRD-Gouverneursrat vorsitzt. Das betrifft auch die Osteuropabank selbst: Erstmals in ihrer Geschichte trat mehr als ein Kandidat zur Wahl zum Präsidenten an. Neben Mirow und Chakrabarti hatte sich je ein Kandidat aus Frankreich, Polen und Serbien beworben. CDU-Kanzlerin Angela Merkel wollte den SPD-Mann Mirow im europäischen Machtpoker opfern und dafür Finanzminister Wolfgang Schäuble als Chef der Eurogruppe installieren, deshalb unterstützte Deutschland bei der EBRD den französischen Kandidaten. Mirow wusste allerdings zahlreiche osteuropäische Staaten hinter sich.