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Es gibt Berufseinsteiger, die keine Personalvermittler brauchen. Auch keine Personalberater und schon gar keine Personalbereitsteller. Absolventen, die niemals Stellenanzeigen in Zeitungen studieren werden müssen. Menschen, die gesucht werden wie die Stecknadel im Heuhaufen. Beneidenswert eben. Diese rare Spezies hört auf den Titel Diplomingenieur, seltener auch auf Magister oder Ingenieur, und ist auf industrielle Fertigungsprozesse, innerbetriebliche wie außerbetriebliche Abläufe, Qualitätsmanagement, Logistik und Beschaffung, seltener auch auf Verbrennungskraftmaschinen, Kraftfahrzeugbau, Fahrtechnik oder Telematik, kurz: Technik und Management rund ums Auto spezialisiert.
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Jährlich verlassen einige Hand voll dieser Exemplare die beiden Technischen Universitäten, drei Fachhochschulen und ausgewählte Höhere Technische Lehranstalten des Landes. Sie haben meist nicht nur eine respektable und höchst vorzeigbare Rolle unterm Arm, sondern auch einen lukrativen Vertrag in der Tasche. Ihr Weg führt sie ohne Umwege in einen renommierten Industriebetrieb der Automobil- und Automobilzulieferbranche, wo sie mit offenen Armen empfangen werden.
60 Jobangebote im Nullkommanichts
Joe Zehetner, 27, ist so ein Glückspilz. Es scheint so, als hätte er zum richtigen Zeitpunkt das richtige gelernt. Telematik an der Grazer TU nämlich. Kurz vor Abschluss seines Studiums kann er schon auf ausgiebige Praxisbezüge, eineinhalb Jahre bei einer EDV-Firma und eineinhalb Jahre beim Weltklasse-Motorenentwickler AVL verweisen. Bei der Diplomarbeit hat er die Qual der Wahl: Gleich eine Reihe von Firmen bieten Themen samt Praktika und wünschten nichts lieber als seine verbindliche Jobzusage für die Zeit nach dem Studienende. Obwohl die Telematik spartenunabhängig ist und dank gefragtem Spezialwissen sowie breit gefächertem Technik- und IT-Bezug viele Optionen ermöglichen würde, will Zehetner in der Automobilbranche Karriere machen. Seine Argumente: Die Branche sei sehr unterhaltsam und biete der Telematik ein prominentes Forum, das heißt im (Auto-)Alltag sichtbare Ergebnisse. Stressig dürfte Zehetners Entscheidung für den richtigen Job werden. Ein Studienkollege habe nach Beendigung seines Telematik-Studiums sein Jobprofil ins Internet gestellt, erzählt er. Am Tag darauf sei er mit rund 60 Angeboten, etwa die Hälfte davon aus Österreich, regelrecht zugeschüttet worden - obwohl er seinen möglichen Einsatzort regional stark eingeschränkt hatte.
Technik-Absolventen sind eine rare Spezies
Professor Hans-Peter Lenz vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau an der TU Wien weiß um die Ursache des Problems: die geringe Zahl an Absolventen. Jeden Tag höre er von hoffnungslos überlaufenen Hörsälen anderer Studienrichtungen, zuletzt von 9.500 arbeitslosen Ärzten bis zum Jahr 2020.
Im Gegensatz zu diesen tristen Perspektiven könne sein Institut jede Menge Kapazität für Studenten, eine erstklassige technische Ausstattung und beste Karrierechancen bieten, wirbt Lenz, selbst ein weltweit renommierter Automobiltechniker. Vergeblich. Das verlockende Angebot wird nicht wahrgenommen. Die Bildungspolitik in den Mittelschulen sei verfehlt, diagnostiziert Lenz.
Auf die Technik und die mit ihrem Studium verbundenen Möglichkeiten werde viel zu wenig hingewiesen. Als Folge der geringen Studentenzahlen verlassen jährlich nur 20 bis 30 Absolventen sein Institut. Viel weniger als der boomende Automobilsektor aufnehmen könnte.