Werbemaßnahmen an der Grenze. | Anti-Korruptionsgesetz schafft große Verunsicherung. | Wien. Das Anti-Korruptionsgesetz, das seit Jahresbeginn in Kraft ist, verunsichert auch die Pharmabranche. Ein häufiger Fall: Der Chef einer Universitätsklinik und seine Oberärzte besuchen einen wissenschaftlichen Kongress und lassen sich Reise und Aufenthaltskosten von einer Pharmafirma bezahlen. Eines der Erzeugnisse dieser Firma wird auf dem Kongress in einem Vortrag zur Sprache kommen oder auf einem Informationsstand beworben werden. Natürlich erwartet die Firma, dass der Besuch der Ärzte dazu beiträgt, dass dieses Medikament künftig häufiger verwendet wird.
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Begehen die Vertreter der Pharmafirmen, indem sie den Ärzten die Kosten bezahlen, nun eine Bestechung nach Paragraf 307 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB)? Und machen sich die Ärzte, indem sie sich die Kosten bezahlen lassen, einer Geschenkannahme nach Paragraf 304 Absatz 2 StGB strafbar?
Kleine Geschenke mit Hintergedanken
Eine Bestechung begeht, wer einem Amtsträger einen Vorteil "im Hinblick aus dessen Amtsführung" gewährt. Der Chef einer Klinik und seine Oberärzte sind als Bedienstete eines öffentlichen Unternehmens Amtsträger. Die Finanzierung von Reise und Aufenthalt ist ein Vorteil, den die Firma den Ärzten gewährt. Die Verschreibung von Medikamenten und die Empfehlung an die Universitätsverwaltung, bestimmte Medikamente zu kaufen, sind Amtsgeschäfte dieser Ärzte. Aber nehmen die Ärzte diesen Vorteil "im Hinblick" auf ihre Amtsführung?
Der Wortlaut des Gesetzes ist unklar. "Im Hinblick" kann vieles bedeuten. Was gemeint ist, wird klarer, wenn man die Regierungsvorlage zur Hand nimmt. Das Gesetz soll Fälle erfassen, in denen dem Amtsträger Vorteile gewährt werden, um ihn "für alle Fälle gewogen zu stimmen", "sein Wohlwollen zu erhalten", ihn "anzufüttern" - offenbar für Situationen, in denen der Geber das Wohlwollen des Amtsträgers braucht, um eine unsachliche Begünstigung zu erhalten.
Der Pharmafirma aber geht es nicht um das Wohlwollen der eingeladenen Ärzte. Dass diese ein Medikament der Firma "aus Wohlwollen" auch in Fällen verwenden, in denen es keinen Erfolg verspricht, kann nicht einmal das Pharmaunternehmen selbst wünschen. Und das Wohlwollen der Ärzte könnte nichts daran ändern, dass die Universitätsverwaltung von mehreren Medikamenten, welche dieselbe Substanz enthalten, das billigere kauft.
Die Pharmafirma will erreichen, dass die eingeladenen Ärzte von diesem oder jenem Medikament aus ihrer Produktion erfahren und über die Verwendungsmöglichkeiten und die Erfolge, die damit schon erzielt wurden, informiert werden. Diese Informationen könnten die Ärzte veranlassen, in Fällen, die sie für geeignet halten, das Medikament zu verwenden. Die Firma will ihren Absatz fördern, nicht indem sie das Wohlwollen der Ärzte erwirbt, sondern indem sie deren Kenntnisstand erweitert. Dazu muss sie die Ärzte durch Vorteile zum Besuch der Veranstaltung bewegen. Das ist Aufklärung, Information und Werbung, aber keine Bestechung.
Beeinflussung von Richtern
Ähnlich ist der Fall, wenn jemand Strafrichtern Exemplare eines Buchs schenkt, in dem auf die Nutzlosigkeit hoher Strafen hingewiesen wird. Richter sind Amtsträger, die geschenkten Bücher Vorteile, und natürlich will der Täter die Amtsführung der Richter beeinflussen. Vielleicht rechnet er sogar damit, die Verhängung niedrigerer Strafen werde eines Tages auch ihm zugute kommen. Durch das Geschenk will der Täter allerdings nicht ein Wohlwollen der Richter erwirken, sondern deren Kenntnisstand erweitern und dadurch ihre Praxis ganz allgemein verändern. Das ist Aufklärung, keine Bestechung.
Bestechung liegt vor, wenn dem Amtsträger Vorteile gewährt werden, um sein Wohlwollen zu erwerben und dadurch eines Tages seine Amtsführung in einigen den Täter interessierenden Fällen zu beeinflussen. Aufklärung, Information, Werbung liegt vor, wenn der Vorteil dazu führen soll, dass der Kenntnis- oder Bewusstseinsstand des Amtsträgers verbessert und dadurch seine Amtsführung allgemein verändert wird.
* Christian Bertel ist emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der
Universität Innsbruck. *