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Besuch der Buhfrau

Von Alexander Dworzak

Politik

Merkels Visite bei Trump steht im Zeichen des Handelskonfliktes zwischen der EU und den USA.


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Washington/Berlin/Wien. Angela Merkel ist überzeugte Transatlantikerin. Sogar den vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush initiierten Irak-Krieg verteidigte sie 2003. Damals widersprach Merkel nicht nur dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder, sondern stellte sich auch gegen die überwältigende Mehrheit der Deutschen. Ihre Prinzipienfestigkeit hilft ihr nun aber nicht bei einem Gegenüber im Weißen Haus, das seine Werte an dem für ihn bestmöglichen "Deal" orientiert. Schon beim ersten Besuch Merkels in Washington, im März 2017, war die Distanz von Donald Trump allgegenwärtig. Diese gipfelte in der Weigerung des US-Präsidenten, Merkel vor laufenden Kameras die Hand zu geben. Stattdessen blickte er demonstrativ auf den Boden, knödelte und faltete seine Hände.

Trumps Trotzigkeit ließ US-Medien zu dem Schluss kommen, die Kanzlerin benehme sich wie die tatsächliche Anführerin der freien Welt. Die Hymnen sind mittlerweile verstummt: CDU/CSU erlitten enorme Verluste bei der Bundestagswahl, eine quälend lange Zeit aus Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen folgte. Zwar steht mittlerweile das Kabinett, doch dass mehrere Mitglieder der Union regelmäßig mit Alleingängen vorpreschen, verdeutlicht Merkels Autoritätsverfall.

"Zugeständnisse" erwartet

Schlechte Vorzeichen für das Gespräch der Kanzlerin mit Trump am Freitag in Washington - unabhängig vom fehlenden zeremoniellen Brimborium, das Emmanuel Macron bei seiner US-Visite diese Woche zuteil wurde. Wie auch in Brüssel wird in Washington sehr genau beobachtet, wie Merkel gegensteuert und ob sie dazu noch in der Lage ist. Nicht zufällig haben Trump und seine Vertrauten zuletzt wieder die Schlagzahl ihrer Kritik an Deutschland erhöht.

Mit Abstand wichtigstes Thema dabei ist die Handelspolitik. Nur noch bis Ende April sind die EU-Länder von den amerikanischen Zöllen auf Stahl- (25 Prozent) und Aluminium-Importe (10 Prozent) ausgenommen. "Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle am 1. Mai kommen", sagte ein namentlich nicht genannter deutscher Regierungsvertreter am Donnerstag. Deutschland wäre einer der Hauptleidtragenden, schließlich exportierten deutsche Autobauer 500.000 Fahrzeuge im Wert von 20 Milliarden Dollar 2017 in die USA. Doch es geht um viel mehr als Autos: Setzt Trump auf Konflikt, steht das niedrige Zollregime zwischen USA und EU auf der Kippe - macht doch der Handel zwischen den beiden Wirtschaftsräumen ein Drittel des gesamten Welthandels aus.

"Zugeständnisse" will Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow von den Europäern sehen, etwa bei deren Zöllen auf Auto-Importe. Berlin signalisiert "breiten Dialog mit den Amerikanern". Muss es auch, schließlich ist die Wirtschaft wesentlich exportorientierter als etwa Frankreichs; ein Viertel der Jobs hänge laut Industrie-Branchenverband BDI davon ab, in der Industrie sei es sogar jede zweite Stelle.

Während Deutschland auf Offenheit pocht, gewinnen in der US-Administration nach dem Rückzug von Trumps Wirtschaftsberater Gary Cohn im März die Protektionisten die Oberhand. Sie stoßen sich am deutschen Handelsbilanzüberschuss; 2017 waren es fast 245 Milliarden Euro. Deutschland würde - wie China und Japan - auf Kosten der USA Überschüsse erwirtschaften.

Kritisiert wird auch, dass die deutsche Regierung trotz 70 Milliarden Euro Budgetspielraum bis 2022 nicht stärker die Binnenkonjuktur ankurbelt. Oder in das Militär investiert. Vom Ziel der Nato-Länder, jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben auszugeben, ist Deutschland mit 1,2 Prozent weit entfernt. Laut der britischen "Sunday Times" soll Trump Merkel 2017 eine Rechnung über 300 Milliarden Dollar (346 Milliarden Euro), die Deutschland der Nato "schulde", präsentiert haben; beide Länder verneinen allerdings deren Existenz.

Problemfeld Gaspipeline

Gesichert ist die Absicht Frankreichs, bis 2024 die Zwei-Prozent-Grenze zu erreichen. Derzeit sind es 1,7 Prozent. Präsident Macron sammelte zuletzt weitere Pluspunkte in Washington, da sich Frankreich im April an den Militärschlägen gegen Syriens Machthaber Bashar al-Assad beteiligte - im Gegensatz zu Deutschland.

Nicht gut kommt in Washington auch die von Berlin unterstützte Pipeline Nord Stream 2 in der Ostsee an. Russisches Gas kann dadurch ohne Einbeziehung des Transitlandes Ukraine in die EU exportiert werden. "Deutschland pumpt Milliarden nach Russland", sagte Trump vor Kurzem nach einem Treffen mit den Präsidenten der baltischen Länder, die gemeinsam mit Polen zu den größten Kritikern der Pipeline zählen. Deutschlands Schreckensszenario: Dass die USA Sanktionen gegen deutsche und europäische Firmen verhängen, die Nord Stream 2 mitfinanzieren oder mitbauen. Dieser Konflikt würde wiederum die "Russland-Versteher" in Deutschland entzücken.