Orbán in Wien: Keine konkrete Annäherung, Ungarn baut einen neuen Zaun an der Grenze zu Kroatien.
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Wien. Die Unstimmigkeiten zwischen Ungarn und Österreich sind auch nach dem Besuch des ungarischen Premiers Vikor Orbán in Wien nicht aus dem Weg geräumt.
Bundeskanzler Werner Faymann bezeichnete die Beziehungen zu Ungarn als "korrekt", sprach aber auch von einem "Spannungsverhältnis". Er wünsche sich bessere Informationen durch die ungarischen Behörden in Sachen Flüchtlingsbewegungen an die österreichische Grenze. Für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist das Gespräch mit Ungarns Premier indes "gut und sachlich" verlaufen: "Mit dem Zaun zu Serbien schützt Ungarn seine Schengen-Außengrenze" – das sei zu respektieren.
Premier Orbán gab sich bei der Pressekonferenz in der ungarischen Botschaft selbstbewusst. Ungarn habe nun beschlossen, die "absurden" Nazi-Vergleiche zu vergessen, sagte er in Anspielung auf Faymanns Vergleich der ungarischen Flüchtlingspolitik mit den Gräueln der Nazizeit. Zwar wollte man die "traditionell guten" Beziehungen bewahren, doch werde Ungarn mit seinen Problemen allein gelassen: "Wir bemühen uns, die Schengen-Regelungen einzuhalten, gleichzeitig werden wir hinterrücks attackiert."
"Es gibt nicht genug Draht"
Kroatiens Vorschlag, einen Korridor für Flüchtlinge über Ungarn nach Österreich zu errichten, widerspreche den Regeln, so Orbán. Die Anmerkung eines Journalisten, dass de facto bereits ein Korridor von Kroatien nach Ungarn und weiter nach Österreich existiere, wollte der Premier nicht gelten lassen: "Das gibt es nicht und das will auch der österreichische Bundeskanzler nicht." Nach Ungarn gelassen werde nur, wer bereits in Kroatien registriert wurde: "Wir müssen davon ausgehen, dass Kroatien die Dublin-Verordnung einhält." Dass dies tatsächlich der Fall ist, kann getrost angezweifelt werden. Laut dem UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR werden Schutzsuchende in kroatischen Sammellagern lediglich polizeilich registriert.
Doch Ungarn plant nun ohnehin einen Grenzzaun zu Kroatien. Orbán rechtfertigte das damit, dass Kroatien kein Schengen-Mitglied ist. Zum Schengen-Land Slowenien plane Ungarn lediglich "mobile Befestigungen", die jederzeit wieder abgebaut werden könnten. Was die fixen Grenzzäune mit Stacheldraht betrifft, dürfte Ungarn derzeit ein Materialproblem haben: "Es gibt in Europa nicht genug Draht, um die Zäune zu bauen. Wir werden wohl in China nachfragen müssen." Geplant sei eine doppelte Absicherung sowie Grenzübergänge für Flüchtlinge – wie an der ungarisch-serbischen Grenze. "Das System funktioniert", so Orbán. "Es kommen nur mehr rund 100 Migranten täglich, früher waren es Tausende."
Ungarn erwarte nun von Wien eine "klare Antwort". Da Faymann den Vorschlag eines Korridors für Flüchtlinge abgelehnt habe, gehe er davon aus, dass Österreich Ungarn "eindeutig beim Grenzschutz unterstützt".
"Wir wollen keine EU-Regelung"
Faymann verwies hinsichtlich des Korridors auf EU-Recht: Die Dublin-Verordnung legt fest, dass Flüchtlinge in jenem EU-Land ihren Asylantrag stellen müssen, in dem sie erstmals EU-Boden betreten. Die Regelung wird kritisiert, weil sie Staaten mit einer EU-Außengrenze wie Ungarn, Griechenland und Italien besonders belastet. Faymann betonte, dass man Flüchtlinge nicht in Länder zurückschicken könne, die Standards für Versorgung und Asylverfahren nicht erfüllten.
Auch Vizekanzler Mitterlehner betonte, nicht mit den Methoden der ungarischen Flüchtlingspolitik einverstanden zu sein. Der "Presse" hatte er jedoch gesagt: "So unrecht hat Viktor Orbán ja nicht." Gemeint war die Unklarheit in der EU: "Soll er nun die Außengrenze schützen oder gelten Dublin II und III nicht mehr?"
Über das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am vergangenen Mittwoch sagte Orbán, Ratspräsident Donald Tusk habe "alles getan, um Europa zu alarmieren": "Zig Millionen bereiten sich vor zu kommen. Das ist eine Völkerwanderung." Ungarn sei bereit, den Griechen beim Schutz ihrer Außengrenze zu unterstützen. "Wir wollen aber keine EU-Regelung", so Orbán in Anspielung auf den Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen.
Auch ein Treffen mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war geplant. "Meine Partner haben mich aber gebeten, das nicht zu tun", so Orbán. Er habe "im Interesse der guten Beziehungen" darauf verzichtet, betonte aber, dass es sich "sehr wohl lohne", mit der FPÖ zu sprechen.