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Besuch für Makumba bleibt aus

Von Kerstin Viering

Wissen
Westlicher Flachlandgorilla im Naturschutzgebiet Dzanga-Sangha.
© Daniela Hedwig/WWF

Die Britin Angelique Todd erforscht die scheuen Westlichen Flachlandgorillas.


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Berlin. Seit Monaten hat Makumba keine Touristen mehr zu Gesicht bekommen. Dabei hatte er sich längst an ihren Anblick gewöhnt. Jene seltsamen Gestalten, die immer wieder im zentralafrikanischen Regenwald herum hockten und seine Familie beobachteten, schienen weitgehend harmlos zu sein. Also hatte der mächtige Silberrücken sie meist einfach ignoriert. Wer Chef einer zwölfköpfigen Gorilla-Gruppe ist, hat sich schließlich um Wichtigeres zu kümmern. Wenn die fremden Besucher jetzt ausbleiben, dürfte Makumba das also ziemlich egal sein.

Angelique Todd ist es dagegen gar nicht egal. Alles, wofür sie in den letzten Jahren gearbeitet hat, steht auf dem Spiel. Bei der Naturschutzorganisation WWF ist die Primatenforscherin dafür zuständig, einen naturverträglichen Tourismus im Schutzgebiet Dzanga-Sangha in der Zentralafrikanischen Republik zu organisieren. Der soll sowohl dem Naturschutz als auch der lokalen Bevölkerung dringend benötigte Einnahmen bringen. Wer aber die Reise in das abgelegene Gebiet auf sich nimmt, der will neben Waldelefanten vor allem Gorillas sehen. Also haben Todd und ihre Kollegen endlose Stunden dafür verwendet, Makumba und seine Artgenossen auf neugierige Beobachter vorzubereiten.

Im Moment ist die Zentralafrikanische Republik aber kein Ziel für Touristen. Als die Rebellen-Allianz Séléka am 24. März den Präsidenten François Bozizé aus dem Amt putschte, versank das Land im Chaos. Mehr als 200.000 Menschen ergriffen die Flucht vor Gewaltexzessen und Plünderungen, Hinrichtungen und Vergewaltigungen. Auch ausländische Naturschützer mussten das Land aus Sicherheitsgründen verlassen. Seither lebt Angelique Todd in Großbritannien, findet dort aber keine Ruhe. "Dzanga-Sangha ist meine Heimat", sagt sie. "Ich habe 15 Jahre dort gelebt, und ich will so schnell wie möglich zurück".

Die Gorillas haben sie von Anfang an in ihren Bann gezogen, es ihr aber nicht leicht gemacht. "Freilebende Gorillas an Menschen zu gewöhnen, ist generell ein sehr aufwendiges Unterfangen", erklärt die Biologin. Am einfachsten klappt die Sache noch bei den berühmten Berggorillas in Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo, die zu den Östlichen Gorillas zählen. "Bei diesen Tieren dauert es ungefähr zwei Jahre, bis eine Gruppe menschliche Besucher toleriert", sagt die WWF-Mitarbeiterin. Doch der Westliche Flachlandgorilla lässt sich weit schwerer von der Harmlosigkeit neugieriger Beobachter überzeugen. Vier Jahre hat es gedauert, bis die erste Gorilla-Gruppe in Dzanga-Sangha im Jahr 2001 bereit für Touristen war.

Zunächst einmal sind Westliche Flachlandgorillas im üppigen Tieflandregenwald Zentralafrikas äußerst schwer aufzuspüren. Ohne die erfahrenen Fährtensucher vom Pygmäen-Volk der BaAka, mit denen Angelique Todd zusammenarbeitet, wäre das wohl ein aussichtsloses Unterfangen. Die Tiere zu finden, ist aber nicht alles. "Als Nächstes gilt es, ihr Vertrauen zu gewinnen", sagt Todd. Denn sonst ist die Begegnung meist innerhalb von Sekunden zu Ende. Makumba zum Beispiel trägt seinen Namen, der in der BaAka-Sprache "Schnelligkeit" bedeutet, nicht zu Unrecht. Anfangs machte er sich im Rekordtempo aus dem Staub, sobald Menschen auftauchten. Manchmal ließ er sogar den Rest seiner Gruppe zurück - äußerst ungewöhnlich für einen Silberrücken, der seine Familie normalerweise verteidigt.

Diese Furcht lässt sich nur mit viel Geduld überwinden: Jeden Tag wiederkommen und hoffen, dass die Tiere diesmal nicht sofort im Unterholz verschwinden. Wenn das klappt: Hinsetzen und Harmlosigkeit demonstrieren. Nach und nach lassen die Tiere die Menschen dann näher heran. Doch nach der Angst kommt normalerweise eine aggressive Phase, die mit Drohgebärden und Scheinangriffen verbunden ist. Irgendwann aber lassen die Tiere auch dieses Stadium hinter sich und ignorieren die ungeladenen Gäste einfach. Doch das kann dauern.

"Der Silberrücken fasst normalerweise am schnellsten Vertrauen", sagt Angelique Todd. Weibchen sind ihrer Erfahrung nach viel ängstlicher und misstrauischer: "Manchmal provozieren sie den Gruppenchef sogar zu aggressiven Aktionen." Beginnt ein Mitglied seines Harems zu schreien, muss er reagieren. Selbst wenn es sich nur um Imponiergehabe handelt: Ein erboster, 200 Kilogramm schwerer Silberrücken ist ein äußerst einschüchternder Anblick.

Eine Schwäche für Termiten

Makumba aber zeigt sich heute nur noch selten von seiner aggressiven Seite. Und auch eine weitere Gorilla-Gruppe im Schutzgebiet, die ein Männchen namens Mayele anführt, hat sich an Gäste auf zwei Beinen gewöhnt. Für Biologen ist das eine große Chance. Denn nur an Menschen gewöhnte Gorillas sind bereit, einen Teil ihres Alltags vor neugierigen Forscheraugen auszubreiten. "Über Westliche Flachlandgorillas weiß man deshalb immer noch viel weniger als über Berggorillas", sagt Angelique Todd. Das aber soll sich nun allmählich ändern. In Dzanga-Sangha haben Wissenschafter schon etliche interessante Erkenntnisse gewonnen. Anders als ihre Gebirgs-Kollegen klettern Flachlandgorillas zum Beispiel oft auf Bäume, um Früchte zu ernten. Und sie haben eine Schwäche für Termiten. Im Gegensatz zu Schimpansen gelangen sie sogar ohne Werkzeuge an diese proteinreichen Leckerbissen. Dank ihrer Gorilla-Kräfte brechen sie Termitenbauten einfach auf.

Solche Szenen zählen natürlich zu den Höhepunkten jeder Touristen-Tour. Rund 500 Naturbegeisterte haben sich in durchschnittlichen Jahren von Dzanga-Sangha und seinen Bewohnern verzaubern lassen. Doch wann wieder Reisen dorthin angeboten werden können, ist unklar. Auf Touristenbesuch wird Makumba wohl noch eine Weile verzichten müssen.