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Pfarrer fordert Flüchtlinge zum Verlassen der Kirche auf
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Wien. Menschen, die unter dem Schutz der Kirche stehen: diese Art des Asyls, auch Kirchenasyl genannt, hat in Frankreich und Deutschland durchaus Tradition. Auch in Österreich gibt es hin und wieder Fälle dieser Praxis.
In Wien haben am Dienstag die Flüchtlinge, die seit Wochen im Wiener Sigmund-Freud-Park ihr Protestlager aufgeschlagen haben, mit einem Ausflug in die Votivkirche erneut ihren Anliegen Ausdruck verliehen. Rund 20 der seit 24. November in der Innenstadt zeltenden Flüchtlinge besuchten die nahe gelegene Votivkirche. Die Rede war von einer Besetzung, in der Pfarre reagierte man auf APA-Anfrage entspannt. Alles sei ruhig, von einer Besetzung merke man nichts, hieß es am Anfang.
Ultimatum
In der Zwischenzeit allerdings meldet die katholische Presseagentur, dass der Protest der Flüchtlingscamper in der Votivkirche beim Pfarrer der Gemeinde nicht gut ankommt. Wie die APA berichtet, wertet Joseph Faruggia die Aktion im "Kathpress"-Interview nicht als Schutzsuche, sondern als Besetzung. Er fordert die rund 30 Demonstranten auf, den Sakralbau bis spätestens heute 18.00 Uhr zu verlassen. Auch die Polizei sei "bereits involviert".
Mit Beginn des Zeltlagers habe er angeboten, Kirchengrund rund um den Neugotikbau an der Ringstraße zu verwenden und auch die Kirche selbst zum Gebet zu nützen, erklärte der Pfarrer. Dass sich plötzlich eine Protestgruppe mit Transparenten in der Kirche eingefunden habe, komme für ihn überraschend und sei nicht abgesprochen gewesen, so Faruggia weiter.
Eine Übernachtung in der Votivkirche wolle der Pfarrer nicht gestatten. Es gelte jede Art von Vandalismus zu verhindern, den Faruggia zwar nicht erwartet. Es sei jedoch derzeit nicht genau auszumachen, wer aus welchen Gründen sich in der Kirche aufhalte. Auf Anfrage der APA konnten Sprecher des Camps bisher noch nicht sagen, ob man dem Ultimatum des Pfarrers folgen wird.
Warten auf Antwort von Politikern
Die Flüchtlinge ihrerseits begründeten die Aktion damit, dass die Politik ihre Forderungen nicht gehört habe. Deshalb hätten sie "Schutz in der Votivkirche gesucht". Das kleine Flüchtlingscamp war im Anschluss an einen Asylwerber-Marsch von der Erstaufnahmestelle Traiskirchen nach Wien errichtet worden. Die Flüchtlinge fordern unter anderem einen Austausch sämtlicher Dolmetscher in Traiskirchen, das Ende von Dublin II, angemessene Verköstigung, freie Wahl des Aufenthaltsortes sowie die Anerkennung von sozioökonomischen Fluchtmotiven neben den bisher anerkannten Fluchtgründen.