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Besuchermagnet Industriekultur

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Rauchende Schlote sind im Ruhrgebiet längst Vergangenheit.


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Wien. "Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt", sang Herbert Grönemeyer 1984 über seine Heimatstadt Bochum im deutschen Ruhrgebiet. Grau und trostlos - das galt lange Zeit auch für Dortmund, Duisburg, Essen und zahlreiche andere Städte im "Ruhrpott". Doch die Zeit der rauchenden Schlote ist schon lange vorbei, und mittlerweile ist das Ruhrgebiet eine Touristenattraktion geworden.

Man staunt angesichts des vielfältigen Angebots, mit der sich die Region - sie ist mit über fünf Millionen Einwohnern und einer Fläche von 4435 Quadratkilometern der größte Ballungsraum Deutschlands und der fünftgrößte Europas - seit dem Zechensterben in den 1960er Jahren vermarktet. Mittlerweile warten 3500 Industriedenkmäler, 250 Festivals und Feste, 200 Museen, 120 Theater, 100 Kulturzentren, 100 Konzertsäle und zwei große Musicaltheater auf zahlende Besucher. "In Deutschland haben wir zwei Kern-Zielgruppen, das sind einerseits Tagestouristen aus dem Nahmarkt Nordrhein-Westfalen, andererseits ehemalige Beschäftigte der Kohleindustrie, die in andere Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg, umgezogen sind", sagt Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH. Im Ausland bemüht sich das Ruhrgebiet vor allem um die Niederlande und die deutschsprachigen Nachbarländer Österreich und Schweiz.

Dass man in Österreich das Ruhrgebiet noch vielfach mit riesigen Kohlenhalden, Fabriksschloten, Dreck und Umweltverschmutzung assoziiert, wundert Biermann auch, zumal das Ruhrgebiet schon seit mehreren Jahrzehnten "sauber" ist - und grün. Touristen, die einmal ihren Blick vom Dach der alten Kohlenwäscheanlage der stillgelegten Zeche Zollverein - dem "Eiffelturm des Ruhrgebiets" - in die Ferne schweifen ließen, bestätigen das.

München und Hamburg

als Vorbilder

"Das Kulturhauptstadtjahr 2010 hat dem Ruhrgebiet eine dauerhafte Imageverbesserung gebracht", ist Biermann überzeugt. Die Zahl der Übernachtungen stieg um 13 Prozent auf rekordmäßige 6,53 Millionen. Auch mit 2011 - endgültige Zahlen liegen noch nicht vor - ist der Tourismusmanager, der im August 2008 zum Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH bestellt wurde, sehr zufrieden. "Üblicherweise geht nach einem Kulturhauptstadtjahr die Zahl der Übernachtungen runter. Wir werden aber wahrscheinlich ein leichtes Plus erzielen", sagt Biermann. Um sich auf den Lorbeeren auzuruhen, ist es freilich noch zu früh.

Geht es nach den Wünschen der Tourismusverantwortlichen, dann sollen die Städte im Ruhrgebiet in zwanzig Jahren in einer ähnlichen Liga spielen wie ihre Vorbilder München, Hamburg und Berlin mit ihrem reichhaltigen Kultur- und Freizeitprogramm. Mittelfristig peile man ein Wachstum von jährlich 5 Prozent bei den Übernachtungszahlen an, sagt Biermann. Und natürlich will er die letzten alten Klischees über das Ruhrgebiet ausräumen. Um kulturinteressiertes Publikum aus Österreich anzulocken, arbeite man mit Reiseveranstaltern zusammen, so Biermann. Das Marketingbudget für Österreich sei fünfstellig.

Kultur und Entertainment an ungewöhnlichen Plätzen

Heuer wirbt das Ruhrgebiet wieder mit Kultur, Entertainment und Sport an spektakulären Orten. Wer will, kann auf stillgelegte Hochöfen klettern, kilometerweit über ehemalige Deponien wandern oder in einem gefluteten Gasometer auf Tauchstation gehen. Auch passionierte Radfahrer kommen auf ihre Kosten: In den vergangenen zehn Jahren entstand anstelle alter Eisenbahnverbindungen zwischen den Industriestätten ein Radwegenetz mit einer Länge von 700 Kilometern.

Am 30. Juni feiert sich das Ruhrgebiet in der "ExtraSchicht - Die Nacht der Industriekultur" wieder selber. Im vergangenen Jahr waren über 200.000 Besucher unterwegs, die die Qual der Wahl zwischen 200 Veranstaltungen an 47 Spielorten hatten.

Noch mehr Kultur bietet die Ruhrtriennale, die am 17. August mit einer Oper des US-amerikanischen Komponisten John Cage eröffnet.