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Besuchsrecht über die Staatsgrenze

Von Marco Nademleinsky und Matthias Neumayr

Wirtschaft

Rechtliche | +++ Strenge Regeln bei Kindesentführung. | Wien. Das Besuchsrecht stellt ein Menschenrecht dar, das an der Staatsgrenze nicht aufhört. Gleichwohl stellt der Umzug eines Kindes über die Grenze für den besuchsberechtigten Elternteil nicht nur eine praktische, sondern auch eine rechtliche Herausforderung dar, wenn kein gutes Einvernehmen mit dem anderen Elternteil besteht. Fehlt das Einvernehmen, ist der Besuchsberechtigte auf eine gerichtliche Regelung angewiesen. Doch an die Gerichte welches Landes kann er oder sie sich wenden, um die Besuchsregelung zu erwirken?


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Innerhalb der EU wird diese Frage der internationalen Zuständigkeit für alle Mitgliedstaaten einheitlich durch die "Brüssel IIa-Verordnung" beantwortet. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass ausschließlich die Gerichte jenes Staates zuständig sind, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, also seinen Lebensmittelpunkt hat. Wenn sich etwa eine Frau von ihrem Lebensgefährten in Salzburg trennt und mit dem gemeinsamen Kind, für das sie das alleinige Sorgerecht hat, nach München zieht, wo das Kind fortan die Schule besucht, sind für einen Besuchsrechtsantrag des Vaters allein Münchner Gerichte zuständig.

Wenn die Eltern verheiratet sind oder die gemeinsame Obsorge haben, ist kein Elternteil ohne Zustimmung des anderen berechtigt, den Aufenthalt des Kindes ins Ausland zu verlegen. Bei Zuwiderhandeln handelt es sich rechtlich um Kindesentführung.

Zurückholen des Kindes

Daher kann der österreichische Ehemann, dessen Kind von der Mutter gegen seinen Willen nach Deutschland gebracht wurde, bei den Gerichten in Österreich die Rückführung des Kindes beantragen, die von den Gerichten in Deutschland grundsätzlich nicht verweigert werden darf. In Österreich haben dann die Gerichte zu entscheiden, welchem Elternteil in Zukunft die alleinige Obsorge zukommen soll, und welchem Elternteil ein Besuchsrecht eingeräumt wird.

Keine Kindesentführung liegt vor, wenn der allein obsorgeberechtigte Elternteil mit dem Kind ins Ausland zieht. In dem Fall hat die Brüssel IIa-Verordnung wiederum die Interessen des Besuchsberechtigten vor Augen: Obwohl nun der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im anderen Staat liegt, bleiben die Gerichte des vormaligen Aufenthaltsstaats weiter für eine Besuchsregelung zuständig.

Der Sinn dahinter: Eine bestehende Besuchsregelung soll schon vor dem Umzug des Kindes an die neue Situation angepasst werden.

Eine Regel gilt für alle

Hat ein Gericht innerhalb der EU eine Besuchsregelung getroffen, so wird diese in allen anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres Verfahren anerkannt. Das heißt, dass der Besuchsberechtigte auch die Durchsetzung seines Besuchsrechts verlangen kann. Allein die Art und Weise der Durchsetzung bestimmt sich nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaates, in dem sich das Kind befindet. So können in Österreich beispielsweise Beugemittel insbesondere Geldstrafen gegen den obsorgeberechtigten Elternteil verhängt werden, der die Ausübung des Besuchsrechts verhindert. Eine zwangsweise Kindesabnahme zur Durchsetzung des Besuchsrechts erlaubt das österreichische Recht indes nicht. Ein Elternteil, der aus London mit einer Besuchsregelung des dortigen Gerichts anreist, befindet sich damit in der gleichen Lage wie jener, der aus Wien anreist, wenn ihm der obsorgeberechtigte Elternteil in Salzburg das Kind vorenthält.

Aus österreichischer Sicht mag das gerecht erscheinen, während aus englischer Sicht die - verglichen mit dortigen Mitteln - milden Sanktionen des österreichischen Rechts mit Kopfschütteln betrachtet werden. Zu einer Vereinheitlichung des Vollstreckungsrechts fehlt es der EU allerdings bislang an politischem Willen.

Marco Nademleinsky ist Rechtsanwaltsanwärter in Wels. Matthias Neumayr ist Hofrat des Obersten Gerichtshofes. Beide Autoren sind laufend mit Fragen des Internationalen Familienrechts befasst.