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Betonungsfragen

Von Stefanie Holzer

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Der Iran, der Kongo, der Kosovo, der Tschad . . . Diese Länder kommen seit Jahrzehnten in den Nachrichten vor, und immer hieß es im Iran, im Kongo, im Kosovo, im Tschad. Seit einiger Zeit ist hier ein Wandel zugange: Deutsche Nachrichtensprecher sagen beharrlich "in Kosovo" und ich komme mir vor wie meine Volksschullehrerin, wenn ich wie ein pantomimischer Automat meine Lippen einstülpe, um dem Sprecher, der mich ja gar nicht sehen kann, das notwendige m nahezulegen. Österreichische Nachrichtensprecher haben sich in den letzten Jahren darauf geeinigt, Norwegen nicht mehr auf der ersten Silbe, sondern auf der zweiten zu betonen. Und das, obwohl der Duden sogar "deswegen" auf der ersten Silbe betont.

Ja und in den Wochen der Urabstimmung, die uns alle zutiefst und zuhöchst bewegt hat, da fiel mir auf, dass die Nachrichtensprecher nach all den Jahren noch immer nicht wissen, ob der Chef der Gewerkschaft Fritz Verzetnitsch nun mit Werzetnitsch oder mit Ferzetnitsch anzusprechen sei. Sie doktern jetzt auch an der Betonung herum. Manche legen bei unterschiedlicher Beurteilung der W-F-Option alle Kraft in die erste Silbe. In letzter Zeit kam immer öfter die zweite Silbe zum Tragen. Dass solche Dinge nicht einfach Zufall und damit egal sind, sondern vielmehr etwas bedeuten, wurde mir klar, als ich hörte, dass auch Rudolf Nürnberger, der Metallerchef unsicher ist, wie sein vorgesetzter Mitstreiter denn auszusprechen sei. Wie immer das Ergebnis der Urabstimmung in den nächsten Wochen interpretiert werden wird, es gibt mir zu denken, dass der eine nicht (mehr) weiß, wie der andere heißt.