Richter fordern mehr Augenmerk auf psychiatrische Betreuung im Maßnahmenvollzug.
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Saalfelden. Eine erste Konsequenz hat der Fall eines im Strafvollzug verwahrlosten 74-jährigen Insassen in der Justizanstalt Krems-Stein bereits. Justizminister Wolfgang Brandstetter will die Reform des Maßnahmenvollzugs, in dessen Rahmen der 74-Jährige aufgrund einer psychischen Erkrankung einsaß, beschleunigen. Eine Arbeitsgruppe soll noch heuer die Situation evaluieren.
Die Dringlichkeit ergibt sich zwar aus dem aktuellen Fall, der Handlungsbedarf ist aber schon den Zahlen geschuldet. Aktuell befinden sich laut Justizministerium 837 Insassen im Maßnahmenvollzug, das sind knapp zehn Prozent aller Häftlinge. Kurz nach Erfindung der Einrichtung lag die Zahl der Betroffenen Anfang der 1980er Jahre bei rund 200 Personen, allein von 2001 bis 2010 stieg ihre Zahl um 61 Prozent.
Wie diese Reform letztendlich aussehen wird, ist noch völlig offen. Einige Ideen wurden am Donnerstag bei der Richterwoche in Saalfelden diskutiert. Dort stand unabhängig vom aktuellen Anlass der Maßnahmenvollzug auf dem Programm. Der Maßnahmenvollzug zielt darauf ab, dass als gefährlich eingestufte Straftäter mit einer abgestimmten Therapie so behandelt werden, dass von ihnen im Fall ihrer Entlassung keine Gefahr mehr ausgeht. Das gelingt in der Realität aber nicht immer.
Einhelliger Tenor in Saalfelden war, dass es zum Maßnahmenvollzug in Justizvollzugsanstalten Alternativen geben muss. Wie diese konkret aussehen sollen, da gehen die Meinungen aber auseinander. Es gibt einerseits die Ansicht, dass der Maßnahmenvollzug nur mehr für Delikte, bei denen eine tatsächliche Tat vorliegt, angewendet werden soll. Derzeit wird die Regelung etwa auch bei gefährlicher Drohung eingesetzt.
Die ursprüngliche Intention des Maßnahmenvollzugs bei der Justizreform in den 1970er Jahren war es, psychiatrische Abteilungen von gefährlichen Patienten zu entlasten. "Das war damals eine Verlagerung vom zivilen in den Strafbereich", sagt Christian Manquet, Abteilungsleiter im Justizministerium. Nun wird die Reform der psychiatrischen Betreuung wohl wieder einen höheren Stellenwert einräumen.
In der Justizanstalt Krems-Stein gibt es aktuell für 120 Insassen im Maßnahmenvollzug und weiteren 80 mit massiven psychiatrischen Auffälligkeiten nur zwei Psychiater. Laut der Psychiatrie-Personalverordnung wären aus medizinischer Sicht aber 9 Psychiater für 150 Erkrankte notwendig. Eine vollständige Zuweisung an den psychiatrischen Bereich - also de facto eine Rücknahme des Maßnahmenvollzugs - wird es aber nicht geben. "Psychiatrische Abteilungen sind nicht dazu da, Menschen zu sichern", sagt Michael Lehofer, Primar an der Landesnervenklinik Graz.
"In der Justizanstalt ein Taferl aufzuhängen und ,Maßnahmenvollzug‘ draufzuschreiben, ist zynisch. Die Frage ist, ob man die Behandlungsbelange an den Gesundheitsbereich verlagern kann", sagt Adelheid Kastner, Abteilungsleiterin für forensische Psychiatrie an der Nervenklinik in Linz. In der Arbeitsgruppe von Minister Brandstetter wird das Gesundheitsministerium zumindest ebenfalls vertreten sein.
Kosten zu den Ländern?
Die Schaffung neuer Einrichtungen, die weder psychiatrische Klinik noch Justizanstalt sind, wäre ein möglicher Weg. "Andenken kann man alles", sagt Kastner. Am Ende der Reform wird die Kostenfrage stehen. Aktuell kostet ein Tag im Maßnahmenvollzug laut Manquet in der Justizanstalt 100 Euro, im psychiatrischen Krankenhaus 500 Euro und im Pflegeheim 600 Euro. Wohl auch deshalb will Brandstetter einen Schulterschluss der Regierung unter Einbeziehung des Finanzministers: "Die nötige Reform wird sicherlich auch Geld kosten."
Jede Lösung unter Einbeziehung des Gesundheitssektors wird aber für Diskussionsstoff mit den Ländern sorgen. Aktuell ist der Maßnahmenvollzug über den Justizbereich beim Bund, der Gesundheitsbereichs liegt bei den Ländern. "Dafür bräuchte man einen finanziellen Abgleich mit den Ländern", sagt Manquet.