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Betreuungsgeld für Kinder erhitzt weiter Gemüter

Von Christine Zeiner

Europaarchiv

Nicht nur die FDP, auch die Mehrheit der Deutschen lehnt "Herdprämie" ab.


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Berlin. "In Zeiten, in denen ein Baron zu Guttenberg zu AC/DC-Konzerten geht, musste man offenbar etwas finden, um den konservativen Lifestyle zu retten", ärgert sich Andreas. Für den 39-jährigen Vater einer vierjährigen Tochter in Berlin steht fest: Das geplante Betreuungsgeld der deutschen Regierung, das erst jüngst wieder zu heftigen Debatten im Bundestag geführte, ist Unsinn. Diese Ansicht teilt selbst der Koalitionspartner FDP.

Die CDU-Schwester CSU rückt dennoch nicht davon ab. Zu oft schon bemühten sich die Christlich-Sozialen wie der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, nicht mehr durch und durch mit einem traditionell-bürgerlichen Lebensstil in Verbindung gebracht zu werden, indem sie etwa demonstrativ Rockkonzerte besuchten oder Internet-Partys veranstalteten wie jüngst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Das Betreuungsgeld soll im Jahr vor der Landtagswahl nun zeigen: Auf die alten Werte der Partei kann sich die CSU-Stammwählerschaft voll und ganz verlassen.

Die CSU duldet keinen Widerspruch. Ein Aus für das Betreuungsgeld bedeute ein Aus für die Bundesregierung, verkündete Seehofer immer wieder - ganz egal, wie groß die Ablehnung in der Bevölkerung, in der Opposition und auch bei CDU- und FDP-Mitgliedern ist. 69 Prozent der Deutschen sind laut dem Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap gegen die Einführung; man nennt den Zuschuss abfällig "Hausfrauengehalt", "Herdprämie", "Schnapsgeld".

Ab 1. Jänner soll der Entwurf der Bundesregierung Gesetz sein. So will es die CSU. Für jedes einjährige Kind, das nicht im Kindergarten oder bei einer Tagesmutter untergebracht wird, soll es dann zunächst 100 Euro geben; ab 2014 würden 150 Euro auch für Zweijährige ausbezahlt. Ausgenommen sind Kinder, die in Hartz-4-Familien aufwachsen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) spricht von einer neuen "Wahlfreiheit". Denn mit 1. August 2013 soll außerdem ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in Kraft treten.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Söhnke Rix ist fassunglos. Man könne doch nicht jene belohnen, die auf eine staatliche Leistung verzichten, meint er bezüglich des Betreuungsgeldes. "Was zahlen wir denen, die keine öffentliche Bibliothek in Anspruch nehmen?", rief er diese Woche aufgebracht im Bundestag. Die Argumente der Opposition: Jene, die ohnehin genügend verdienen würden und ihr Kind zuhause betreuen wollten, bräuchten die finanzielle Unterstützung des Staates nicht. Der Anreiz für Niedrigverdiener, das Geld zu nehmen, statt das Kind in den Kindergarten zu schicken, sei dagegen zu groß - dabei wäre gerade für Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder mit schlechten Deutschkenntnissen ein Kindergartenbesuch wichtig.

Um es dem Kabinett von Angela Merkel in Sachen Betreuungsgeld nicht allzu leicht zu machen, verzögerte die Opposition den Beschluss im Parlament: An einem Freitag im Juni blieben so viele Abgeordnete dem Bundestag fern, dass dieser nicht beschlussfähig war. Vor allem die CSU schäumte. Das Gesetz konnte nicht vor der Sommerpause verabschiedet werden. Das kommt etlichen Liberalen entgegen: Sie wollen die Zeit nun nutzen, um Änderungen einzubringen. Denn die "Leistung auf Pump", wie FDP-Familienpolitikerin Miriam Gruß sagte, wolle "scheinbar keiner so recht in Deutschland" Der schwarz-gelben Koalition droht eine hitzige Sommerdebatte.