Zum Hauptinhalt springen

Betroffenheit contra Sensationslust, Werbekampagne contra Rufschädigung

Von Christian Rösner

Analysen

"Ich hoffe, die Medien haben im Zuge meines Falles etwas dazugelernt", sagte Natascha Kampusch, die selbst über Jahre in einem Keller gefangen gehalten worden war, in einer Sendung des NDR zum Inzest-Fall in Amstetten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Offensichtlich nicht: Auf dem Areal der Sonderkrankenanstalt Amstetten-Mauer, wo sieben Opfer behandelt werden, musste ein externer Wachdienst eingesetzt werden, weil es Probleme mit Fotografen gegeben hat, die das Gelände nicht verlassen wollten.

"Was wollen die dort? Ist noch immer nicht klar, dass die Kinder und Frauen jetzt Ruhe brauchen?", sagte ein Amstettner am Donnerstag. Ein weiterer Anrainer berichtete, dass einem Nachbarn 150 Euro für Fotos von seinem Balkon auf das "Horror-Haus" gezahlt worden seien. Und ORF-Nachrichtensprecher Armin Wolf hat bereits schriftlich scharfe Kritik an einer Wochenzeitschrift geübt, weil sie Bilder der Opfer veröffentlicht und damit die Opferrechte missachtet hat. Offensichtlich nicht ohne Grund hat Vizekanzler Wilhelm Molterer am Mittwoch an die Medien appelliert, den Presserat als Selbstkontrollinstanz wiederzubeleben. Denn so sehr auch alle Menschen ihre Betroffenheit bekunden mögen, die Sensationslust scheint genauso stark zu sein.

Damit ist nun Amstetten in das Licht der Weltöffentlichkeit gerückt. Das Viersternhotel Exel in der kleinen Stadt ist von Journalisten ausgebucht. Von einem richtigen "Hype" hat der Hoteldirektor gesprochen. Und bei den Pressekonferenzen rammten sich die Medienvertreter gegenseitig die Ellenbogen in den Leib, um ja nichts von den in österreichischem Amtsdeutsch dargebrachten Ermittlungsergebnissen zu versäumen.

Eine ähnliche Doppelmoral werfen ausländische Medien nun dem Land Österreich vor. Auch der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger erklärte im Deutschlandradio, dass in Österreich "die private Sünde und die öffentliche Moral miteinander nicht im Zusammenhang stehen". Man dürfe also nicht so tun, als hätte der Fall gar nichts mit Österreich zu tun, meinte Haslinger.

Aber genau das wird nun versucht. "Ein Land, das die Idee der SOS-Kinderdörfer in die Welt getragen hat, kann nicht für die Schandtat eines Einzelnen verantwortlich gemacht werden", meinte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Und schon meldet sich PR-Berater Wolfgang Rosam zu Wort und empfiehlt eine "subtile Werbeoffensive", um dem drohenden Imageschaden für Österreich zu begegnen.

Alle Beiträge dieser Rubrik unter:

www.wienerzeitung.at/analyse

analyse@wienerzeitung.at