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Bettelbanden? Gibt’s nicht

Von Christian Rösner

Politik
Christian Rösner ist Leiter des Wien Ressorts.
© © Stefan Joham

Anstatt gemeinsam das Problem anzugehen, zerfleischt man sich lieber untereinander.


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Wie unreflektiert und reflexartig in unserer Gesellschaft mit dem Thema Betteln umgegangen wird, zeigt eine Geschichte vom Wochenende:

Die Polizei berichtet über die Festnahme von Menschenhändlern, die einen behinderten 33-jährigen Mann sechs Jahre lang betteln geschickt haben. Bekommen hat er keinen Cent. Schaffte er die geforderten Durchschnittseinnahmen nicht, wurde er misshandelt.

Umgehend folgt die Reaktion der Caritas in Richtung Polizei: "Hören Sie auf die Bevölkerung zu verunsichern und Bettler zu kriminalisieren!", hieß es. Und: Wer von mafiösen Strukturen spreche, habe von der Realität keine Ahnung.

Die Realität sieht aber anders aus: Auch wenn Bettler als Opfer von Menschenhändlern die kleinste Gruppe darstellen, so ist deren Existenz nicht von der Hand zu weisen. Wer das aber ausspricht, wird sofort ins rechte Eck gestellt.

Auch die Drehscheibe - eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Fremde in Wien - wurde schon des Öfteren an den Pranger gestellt. Deren Leiter war sogar Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt, nur weil er aus seiner eigenen Berufserfahrung erzählt hat, dass viele Roma-Kinder zum Betteln nach Europa geschickt werden, um hier unter unwürdigen Bedingungen zu leben, zu stehlen oder sich zu prostituieren.

Er setzt sich dafür ein, dass diese Kinder von der Straße geholt werden, um ihnen zu helfen und um an die Hintermänner zu gelangen. Dass das nicht ohne Polizei geht, stößt offensichtlich vielen unangenehm auf, weil dadurch eine "Kriminalisierung" erfolgt: Menschen, die aus purer Not Fahrgemeinschaften bilden, um in andere Städte betteln zu fahren oder sich Wohnungen teilen, würden derzeit als organisierte Bettler bestraft, lautet die Kritik. Dass es aber genau diese Menschen sind, an denen Menschenhändler verdienen können, weil diese in Massenunterkünften 100 Euro pro Monat für eine Matratze am Boden verlangen, will die politische Linke nicht hören. Und anstatt gemeinsam das Problem anzugehen, zerfleischt man sich lieber untereinander. Sicher sehr zur Freude der Bettelbanden-Chefs - die es ja eigentlich gar nicht gibt.