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Betteln um die schnelle Watsch’n

Von Judith Belfkih

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Es ist eines der großen Rätsel, das der moderne Mensch sich selbst aufgibt. Er zerstört sich durch - freundlich formuliert - unbedachten Ressourcen-Gebrauch nach und nach die eigene Lebensgrundlage. Er schafft durch Ausbeutung schlechtergestellter Artgenossen außer Sichtweite ein brisantes soziales und ökonomisches Ungleichgewicht, in dem gewaltvolle Konflikte keimen. Er verschmutzt das globale Ökosystem derart, dass er damit massiven Einfluss auf das klimatische Geschehen seines Heimatplaneten ausübt. Auch die durchaus bedrohlichen Naturphänomene, die er dadurch auslöst, bringen ihn nicht ab davon. Nicht einmal vor dem eigenen Körper macht er mit dem Raubbau halt. Er kauft weiter fleißig Billigtextilien, isst Fertignahrung und tankt seinen Drei-Liter-Schlitten voll. In vollem Bewusstsein, dass ihm all das - langfristig - schadet, scheint er bei seiner frohen Fahrt in den selbst geschaufelten Abgrund auch noch beherzt aufs Gas zu steigen.

Forscher aus Wien wollen, das Rätsel nun gelüftet zu haben: über einen spieltheoretischen Ansatz. Der besagt, dass Kooperation - und in allen diesen Fällen handelt es sich um Zusammenarbeit mit anderen, der Erde oder eben sich selbst - dann am besten, also am langfristigsten und gemeinnützigsten funktioniert, wenn das eigene Handeln rasche und deutlich wahrnehmbare Auswirkungen hat. Positive wie negative. Was der Mensch aus dieser Selbsterkenntnis machen wird? Hoffentlich nicht auf die schnelle Watsch’n setzen bei kurzsichtigem, sondern auf die umgehende Belohnung bei vorausschauendem Handeln.