Gerichts-Exekution nur am Papier. | Anwalt beklagt: "Rechtsstaat stößt an seine Grenzen." | Wien. Ein an sich harmlos scheinender Schulstreit droht sich zum handfesten Justiz-Problem auszuwachsen: Alles begann vor rund sechs Wochen mit dem Ausschluss der vier Kinder des in Ungnade gefallenen US-Oberabbiners Moishe Friedman aus der jüdisch-orthodoxen Talmud-Thora Privatschule in Wien-Leopoldstadt. Trotz gegenteiligen Gerichtsbeschlusses wird ihnen seither kein Zugang gewährt.
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Das Gericht verhängte in Folge Beugestrafen von insgesamt 350.000 Euro gegen den der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) nahe stehenden Schulverein. Diese werden aber - offensichtlich aus politischen Gründen - nicht exekutiert.
Der Wiener Stadtschulrat wiederum erklärte sich in diesem Falle für "unzuständig", weil das Privatschulgesetz "keine Rechtsgrundlage zur Durchsetzung von Gerichtsbeschlüssen enthalte", die Durchsetzung also "Sache der Gerichte" sei.
Leidtragende sind die Friedman-Mädchen im Alter von 8, 10, 12 und 13 Jahren, die seit Wochen am Schuleingang in der Malzgasse abgewiesen werden und wertvollen Lehrstoff versäumen.
Auch die anderen rund 200 Schüler der laut IKG-Chef Ariel Muzicant "ältesten jüdisch-orthodoxen Schule Wiens" leiden: Demonstrationen politischer Aktivisten und Friedman-Unterstützer vor der Schule, Polizeieinsätze und Unterrichts-Absagen stören den Betrieb regelmäßig.
"Sippenhaftung"?
Hintergrund der Konfrontation, die nun immer weitere Kreise zieht, ist die umstrittene Teheraner Holocaust-Konferenz im vergangenen Dezember, an der Friedman zusammen mit 13 anderen Rabbinern teilnahm. Dies brachte ihm laut Muzicant die weltweite Ächtung in Form des alttestamentarischen Bannfluches "Cherem" ein. Damit wird - vereinfacht ausgedrückt - jeglicher Kontakt mit dem Gebannten und seiner Familie untersagt.
Nicht nur politisch korrekte Geister würden dazu "Sippenhaftung" sagen - und genau damit argumentiert auch Moishe Friedman. Er sah den Schulverweis seiner Mädchen als Racheakt gegen ihn an und klagte vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt.
Das Gericht folgte seiner Argumentation und ordnete Mitte März per einstweiliger Verfügung die Gewährung auf Schulzutritt für die Kinder an - was der Schulbetreiber, der Israelitische Tempel- und Schulverein "Machsike Hadass", seither konsequent ignorierte.
"Hier geht es um eine Privatschule mit sehr strengen Regeln, das muss jedem klar sein, der seine Kinder hierher schickt", argumentiert Muzicant gegenüber der "Wiener Zeitung" die Aufkündigung des Schulvertrages.
Friedman sei kein Rabbi, sondern ein der FPÖ nahestehender Hochstapler, und habe wiederholt gegen diese Regeln verstoßen. Er sei zudem über Jahre das Schulgeld schuldig geblieben, es seien bereits rund 20.000 Euro ausständig. Das rechtfertige den Schulverweis; gegen den Gerichtsentscheid habe man Berufung eingelegt.
Dennoch ist dieser gültig, weshalb das Bezirksgericht Leopoldstadt bereits Beugestrafen gegen den Schulverein verhängt und teils sogar zur Exekution bewilligt hat. Einkassiert wurde bisher allerdings noch nichts.
Der Stadtschulrat, an sich für die Durchsetzung der Schulpflicht verantwortlich, scheint zahnlos: Laut Sprecher Matias Meissner habe man der Familie Ersatzplätze in öffentlichen Schulen angeboten - ohne Erfolg. "Kein Wunder; die Stadt Wien betreibt keine jüdisch-orthodoxe Schule und nur in eine solche will die Familie ihre Kinder aber schicken", kontert Hübner.
Antrag auf Beugehaft
Er überlegt nun einen Antrag auf Beugehaft gegen den Schulleiter - juristisch und praktisch durchsetzbar, wie der aktuelle Fall eines Bordellbetreibers aus Leopoldstadt zeigt, den die Polizei mangels Wirksamkeit anderer Maßnahmen nun bereits zum dritten Mal per Haft beugt.
Die Causa Friedman sieht Hübner als Nagelprobe für den Rechtsstaat: "Wenn das Gericht weiter keine Durchsetzungskraft gegenüber jüdischen Organisation zeigt, sehe ich unser Rechtssystem am Ende." Eine Stellungnahme des Bezirksgerichtes Leopoldstadt und des Justizministeriums war bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.