Eine Podiumsdiskussion der "Wiener Zeitung" im Rahmen der "Future Challenge" beschäftigte sich mit "Arbeit 2030".
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Wien. Für Anastasia, Nevena und Artnora, allesamt 16 und Schülerinnen der HAK im elften Wiener Gemeindebezirk, wurde Stefan Patak von Whatchado schnell zum Star des Abends. Mit seinem Bekenntnis, für "zwei oder drei Wochen" seinen Instagram-Account abgestellt zu haben, hatte er einen Nerv bei den Schülerinnen getroffen. "Befreiend" sei das gewesen, erklärte Patak. Die Schülerinnen können das nachvollziehen: "Es ist wirklich so. Die Sozialen Medien setzen einen unter Druck. Man muss perfekt sein, schöne Bilder machen und immer online sein", sagt Nevena im Anschluss an die Veranstaltung. Anastasia erklärt, dass für Facebook, Snapchat und Instagram "wirklich sehr viel Zeit draufgeht". Wenn sie lernen muss, dreht sie das Smartphone ab. "Aber sonst ist man ständig online."
Eigentlich ging es an dem Abend im Ringturm um Arbeit. Genauer: um die Zukunft der Arbeit. "Arbeit 2030 - Welche Berufe haben Zukunft?" lautete der Titel der komplett ausgebuchten Diskussionsveranstaltung am vergangenen Mittwochabend, dem 24. Jänner. Die "Wiener Zeitung" und Wien Energie hatten im Rahmen des Videowettbewerbs "Future Challenge - Leben 2030" eingeladen.
Der Physiker Werner Gruber, die Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger, der Sozialunternehmer Goran Maric von ThreeCoins und Stefan Patak von Whatchado kamen im Gespräch schnell darauf, dass die drängende Frage nicht unbedingt die ist, ob uns "die Roboter" die Arbeit oder das Denken abnehmen, sondern auf welche Weise die digitalen Technologien die Welt verändern. Sind die heutigen Schülerinnen und Schüler überhaupt ausreichend vorbereitet auf die (Arbeits-)Welt, die sie erwartet? Und welche Welt wird das sein?
"Fast ein bisschen ärgerlich"
Für Goran Maric, CEO von ThreeCoins, einem Sozialunternehmen, das Jugendliche bei einem verantwortungsbewussten Umgang mit Geld unterstützt, ist die Frage des Vorbereitetseins besonders dringlich.
"Es macht mich fast ein bisschen ärgerlich", erklärte er. "Wir denken viel zu wenig darüber nach, wie wir den Schülerinnen und Schülern einen selbstbestimmten und vor allem bewussten Umgang mit den eigenen Ressourcen vermitteln. Das gilt für die Ressource Geld ebenso wie für Zeit, Aufmerksamkeit oder unsere Daten", sagte er. "Wir haben den Bezug dazu verloren, wie man mit knappen Ressourcen umgeht."
Werner Gruber, Physiker und Leiter des Planetariums Wien, hatte zuvor nach einer Keynote zu Digitalisierung und Arbeit noch seinen persönlichen Weg aus der digitalen Überforderung dargelegt: Wer an seine E-Mail-Adresse schreibt, erhält zunächst nur eine automatisierte Antwort. Gruber ist aus Zeitgründen dazu übergegangen, nur noch ausgewählte E-Mails zu beantworten. "Bei täglich dreihundert E-Mails kämen Sie nicht einmal mehr zum Duschen, wenn Sie die alle beantworten würden."
Ist die selektive Verweigerung, der Rückzug aus dem digitalen Leben eine Option? Ist es das, was Jugendliche heute lernen müssen? Stefan Patak meint "Nein". Sein Smartphone hoch haltend erklärte er: "Wir nutzen dieses Ding vor allem für den Konsum. Wir sehen die Möglichkeiten nicht, die diese Tools bieten." Junge Menschen müssten lernen, mit den vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Welt zurechtzukommen.
Leistet die Schule, was sie soll?
Mit Whatchado, einer Online-Plattform zur Berufsfindung, ist er häufig in Schulen unterwegs. "Wenn man Vierzehnjährige fragt, was sie einmal machen möchten, haben sie keine Antwort", berichtete er. Warum ist das so? Goran Maric sieht einen Teil der Verantwortung bei der Schule: "Man lernt viel, aber nicht das, was wirklich wichtig ist. Die Schule bringt nicht das, was sie bringen sollte." Was die Schule unter anderem bringen sollte, ist in Pataks Augen wiederum die Vermittlung von sozialer Kompetenz. Diese würde in der Arbeitswelt von Morgen, zumal wenn die Roboter kommen, besonders gebraucht. Soziale Medien sind ungeeignet, Menschen beziehungs- und teamfähig zu machen. "Soziale Interaktion lernt man in einem YouTube-Video nicht."
Mangelnde Selbstorganisation
Sozialkompetenz ist das Stichwort für Martina Leibovici-Mühlberger. Aus Sicht der Psychotherapeutin leiden Jugendliche heute an einer Art Wohlstandsverwahrlosung und an Disziplinlosigkeit; verschuldet hauptsächlich durch Eltern, die keine Führung mehr übernehmen, und Familien, deren Mitglieder aneinander vorbeileben. "Es ist für viele Jugendliche sehr schwer, auch nur regelmäßig anwesend zu sein. Sie können sich nicht selbst organisieren. Da wird es schwierig, eine Lehre abzuschließen", erklärte sie.
Anastasia und ihre Kolleginnen sehen das anders. "Ohne Selbstorganisation geht bei uns nichts." Sie sagen das sehr überzeugend, schließlich sind sie ja in der Lage, ihre Smartphones manchmal beiseitezulegen. Was sie einmal werden möchten, wissen noch nicht.
Noch zwei Hinweise:
Wenn Sie mit Ihrer Klasse beim Videowettbewerb "Future Challenge - Leben 2030" mitmachen möchten, melden Sie sich unter www.wienerzeitung.at/futurechallenge an.
Die nächste Podiumsdiskussion im Rahmen der Future Challenge findet am 16. April zum Thema "Smart Living" statt.
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