Plassnik im "WZ"-Interview: Hamas muss ihre Positionen ändern. | Treffen mit palästinensischem Außenminister in Wien. | "Wiener Zeitung":Der palästinensische Außenminister Ziad Abu Amr kommt nach seinem Besuch in Paris morgen, Mittwoch, nach Wien. Kann er die Isolation der Palästinenser lockern und gleichzeitig die Regierung der Nationalen Einheit zusammenhalten?
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Ursula Plassnik: Abu Amr genießt das besondere Vertrauen des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas und ist eine Integrationsfigur, die große Akzeptanz in vielen Teilen der palästinensischen Gesellschaft besitzt. Er ist als unabhängiger Kandidat auf einem Listenplatz der Hamas in den Legislativrat gewählt worden. Er hat mir erzählt, dass er seinen Freunden von der Hamas immer sagt: Wenn ihr Fußball spielen wollt, könnt ihr nicht mit 19 oder sieben Spielern antreten, sondern eben mit elf. Es gibt Regeln, und die Hamas muss ihre Positionen entsprechend verändern.
Was erwarten Sie sich von dem Treffen mit ihm?
Bei unserem Gespräch im Dezember hat mir Abu Amr die aus seiner Sicht notwendigen drei Schritte für einen Neuanfang des politischen Prozesses im Nahen Osten genannt: Es muss eine Regierung der Nationalen Einheit geben, der im Juni 2006 entführte israelische Soldat Gilad Shalit muss freikommen und der Waffenstillstand dauerhaft halten. Der erste Schritt ist nun gemacht.
Jetzt muss also Shalit befreit werden.
Das wäre der nächste logische Schritt. Ich hoffe, dass viele Staaten ihre Kontakte nutzen und dass auch Israel bereit ist, bei der Freilassung von palästinensischen Gefangenen entsprechend mitzuwirken. Eine neue aktive Komponente ist auch die regionale Dimension. Neben dem klassischen Nahost-Quartett (UNO, EU, USA, Russland) hat sich inzwischen ein Quartett aus gemäßigten arabischen Staaten gebildet: Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Die EU hat sich darauf verständigt, mit Regierungsmitgliedern, die nicht der Hamas angehören, durchaus Kontakte zu pflegen. Israel ist da noch nicht so weit.
Wir gelangen gerade in eine Phase der Neubewertung. Das geht aber nicht von einem Tag auf den anderen. Die neue Regierung wird in erster Linie an ihren Taten gemessen und nicht an ihren Erklärungen oder ihrem Programm. Damit wird auch die Beurteilung durch Israel leichter werden.
Auch die unabhängigen Minister müssen aber die Politik der palästinensischen Regierung mittragen. Auf die gibt es einen sehr starken Einfluss der Hamas.
Diesen Spagat zu schaffen, ist die Verantwortung, die sie tragen. Ich will mir direkt ein Bild mit Tiefenschärfe machen. Ich werde das Treffen mit Abu Amr auch dazu nützen, um unsere klare Erwartungshaltung an die neue Regierung auszudrücken. Darum suchen wir den Dialog.
Wird diese Kontakte bald auch Israel suchen?
Es muss jetzt eine Dynamik zwischen Israelis und Palästinensern in Gang kommen. Dafür ist das Dialogmuster, dass sich zwischen dem israelischen Premier Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Abbas entwickelt, schon ein erstes Anzeichen. Die werden vorerst über ganz praktische Angelegenheiten reden. Darüber hinaus wird es aber wichtig sein, die Dialogform so stark zu machen, dass auch über den so genannten politischen Horizont gesprochen werden kann.
Politischer Horizont heißt Zwei-Staaten-Lösung?
Politischer Horizont ist jetzt im Nahen Osten das Codewort für einen politischen Prozess, der letztendlich auf die Zwei-Staaten-Lösung hinausläuft. Dazu gehören im Sinne der UNO-Beschlüsse auch Fragen wie die endgültigen Grenzen, Jerusalem und die Flüchtlinge.
Wird die neue palästinensische Regierung dafür lange genug halten?
Ich sehe in dieser Regierung der Nationalen Einheit eine Bereitschaft der Palästinenser, die Spaltung in der palästinensischen Gesellschaft zu überwinden. Die Hamas hat damit Macht an die Wahlverlierer abgegeben. Vor einem Jahr war weder für die Hamas noch für die Fatah eine gemeinsame Regierung möglich. Wir haben also schon eine erste Etappe in einem Lernprozess in der palästinensischen Gesellschaft hinter uns gebracht. Es gilt, jetzt auch der Hamas nachzuweisen, dass es sich auszahlt, die Macht zu teilen.
Das Nahost-Quartett verlangt von den Palästinensern Gewaltverzicht, die Einhaltung bestehender Friedensverträge und die Anerkennung Israels. Steht letzteres nicht im klaren Widerspruch zu den ureigenen Ideen der Hamas?
Die Hamas ist eine durchaus komplexe Erscheinung. Eine explizite offizielle Anerkennung des Staates Israel ist die Zielsetzung. Sie muss das Ergebnis von Verhandlungen sein. Was wir jetzt verlangen und was zumutbar ist, ist das Existenzrecht des Nachbarn und Partners Israel anzuerkennen.
Direkte Finanzhilfen für die palästinensische Regierung sind weiterhin nicht geplant. Finanzminister Salam Fayyad hat bereits erklärt, dass sein Ministerium noch gar nicht in der Lage wäre, sie zu verwalten.
Wir wollen nicht Geld in die falschen Kanäle bringen. Die Hilfszahlungen an die Bevölkerung funktionieren. Es herrscht kein Zeitdruck. Wir werden uns die Entwicklung einmal in Ruhe anschauen. Denn es gibt noch Unklarheiten in vielen Punkten. Etwa im Bereich Erziehung: Interessant wird, was jungen Menschen im Zuge des Bildungswesens nahe gebracht wird.