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Bewegung an der Mietrechtsfront

Von Niklas Hintermayer

Politik

Die SPÖ pocht auf einen Basiszins, die ÖVP will die Richtwerte vor dem VfGH kippen.


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Wien. 8,02 Euro kostet der Quadratmeter einer privaten Wiener Mietwohnung im Durchschnitt. Von 2008 bis 2014 sind die Mieten inklusive Betriebskosten in Wien um fast ein Drittel gestiegen. Davon betroffen ist nicht nur der private Sektor, auf dem die Preissteigerung besonders hoch ausfällt, sondern der gesamte Sektor inklusive gemeinnütziger und kommunaler Vermietung.

Die Mietzinserhöhung tangiert somit den Großteil der Mieterinnen und Mieter, denn drei von vier Wienerinnen und Wienern leben zur Hauptmiete. 40 Prozent davon mieten privat. Sie alle plagen die stetig nach oben kletternden Mietpreise.

Stark steigende Mieten trotz Mietzinsbeschränkung

Und das obwohl es in Österreich seit dem Ersten Weltkrieg das System der Mietzinsbeschränkung gibt. Derzeit gilt österreichweit das seit 1994 etablierte Richtwertmietzins-System. Es greift bei Vermietungen im Altbau und gefördertem Neubau ab 1994 und in Gemeindewohnungen mit Mietverträgen ab 2004. Im frei finanzierten Neubau gibt es den Richtwert nicht. Hier kann man einen freien Mietzins - also so viel man möchte - verlangen. In Wien beträgt der Richtwert derzeit 5,39 Euro pro Quadratmeter und wird um Zu- und Abschläge ergänzt. Bisher ist die Höhe dieser Zu- und Abschläge nicht gesetzlich geregelt, sondern leitet sich aus der Judikatur ab. Mieterinnen und Mieter tappen daher oft im Dunkeln, Vermieter nutzen diesen rechtlichen Graubereich. Die Rechtslage ist undurchsichtig.

Während sich mieterfreundliche Organisationen für einen niedrigen Basiszinssatz und eine Deckelung der Zuschläge einsetzen, bekämpfen Eigentümer Zuschlagverbote und Abschlagsgebote vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH).

Ob das System in der Form künftig weiter bestehen bleibt, ist daher fraglich. Fünf Anfechtungen - laut SPÖ von ÖVP-nahen Mietrechtsexperten - liegen derzeit dem VfGH vor. Grund dafür: Der für Wien festgesetzte Richtwert ist ihrer Ansicht nach im Vergleich zu den anderen Bundesländern zu niedrig (nur der Richtwert von Burgenland liegt unter jenem von Wien). Weiters wird das Lagezuschlagverbot in Gründerzeitvierteln wie dem 5., dem 16. oder dem 17. Bezirk angefochten. Denn in einer Reihe von Verfahren wurde erstinstanzlich entschieden, dass - trotz teilweise guter Lage und Ausstattung der Mietobjekte - in sogenannten Gründerzeitvierteln kein Lagezuschlag verrechnet werden kann. Ob dies verfassungskonform ist, prüft der VfGH seit Montag.

Jahrzehntelanger Streit zwischen SPÖ und ÖVP

Das Tauziehen im Mietrecht zwischen der SPÖ, die die Interessen der Mieter vertritt und der ÖVP, die die Interessen der Vermieter vertritt, währt mittlerweile seit vielen Jahrzehnten. Doch eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der komplexen Mietzinsbeschränkung scheitert immer wieder an den tiefen ideologischen Gräben der Parteien. Erst im August mussten die Gespräche zur Mietrechtsreform zwischen SPÖ und ÖVP erneut abgebrochen werden. Und das, obwohl sich die beiden Parteien eine Reform der Materie bereits im Dezember 2013 mit dem Regierungsprogramm vorgenommen haben. Kurz vor dem Ziel ist man jetzt wieder gescheitert. Es muss weiterverhandelt werden.

Das von den Sozialdemokraten vorgeschlagene Modell sieht einen bundesweiten Basismietzins von 5,50 Euro pro Quadratmeter vor (ohne Betriebskosten und Steuern) - entsprechend dem österreichischen Medianeinkommen. Zu diesem Basiszinssatz kämen (im Gegensatz zum aktuellen Richtwertmietzins) im Gesetz genau definierte Zu- und Abschläge etwa für Lage, Ausstattung und energetische Qualität. Die geplante Zinsvereinheitlichung würde allerdings erst bei 20 Jahre alten Wohnungen greifen. Im Zeitraum davor könne der Vermieter als "Investitionsbonus" einen freien Mietzins, also so viel er möchte, verlangen. Damit fiele auch die - zurzeit bestehende - Mietzinsunterscheidung in Altbauten und gefördertem Neubau auf der einen und frei finanzierten Neubauten auf der anderen Seite weg.

Die Mietervereinigung Wien spricht sich naheliegenderweise für den Gesetzesvorschlag der SPÖ aus. Für die Vorsitzende der Mietervereinigung Elke Hanel-Torsch wäre das Modell des Basismietzinses ein gangbarer Weg, um Wohnen wieder leistbarer zu machen. Insgesamt geht ihr der Vorschlag allerdings nicht weit genug: "Der Basiszinssatz von 5,50 Euro ist zu hoch. Außerdem wünschen wir uns eine Gesamtdeckelung von maximal 25 Prozent bei den Zuschlägen zum Basismietzins."

Immobilieninvestoren gegen Basiszins

Wenig Freude mit den Ideen der SPÖ hat hingegen der Verband der institutionellen Immobilieninvestoren, der traditionellerweise die Interessen der Hauseigentümer vertritt. "Im privaten Mietbereich gibt es österreichweit einen Altbaubestand von 10 Prozent", sagt Wolfgang Louzek, Präsident des Investorenverbandes. Das seien die vor 1953 errichteten Mietwohnhäuser. "Die Altbau-Neuvermietungen machen davon wiederum zehn Prozent - also insgesamt ein Prozent aus. Damit wird man keine Bäume ausreißen, wenn man das Mietrecht ändern will", kritisiert Louzek.

Denn der geplante Basiszinssatz würde nur bei Neuvermietungen greifen, nicht aber für laufende Verträge gelten. Zudem sei eine Mietrechtsnovelle hauptsächlich für Wien relevant, meint Louzek. "Wir reden von einem Bundesgesetz. Aber aufgrund des großen Anteils an privaten Mieten betrifft die Mietrechtsdebatte hauptsächlich Wien. Der Rest Österreichs setzt mehr auf das Eigentum."

Hoher Lagezuschlag als Problem

Während erstinstanzliche Entscheidungen ein Lagezuschlagverbot in Gründerzeitvierteln vorsehen, schnellen diese in den anderen Bezirken in die Höhe. 2014 erhöhte er sich je nach Lage um 0,12 bis 2,27 Euro pro Quadratmeter. In teureren Gegenden macht er mehr aus, allein im 1. Bezirk sind es 7,99 Euro pro Quadratmeter. Rechnet man den Lagezuschlag zum Richtwert-Mietzins hinzu, hat man teilweise Preise, die über der Marktmiete liegen. Mieterschützerin Hanel-Torsch sieht darin eine der Hauptgründe für die teuren Mieten in der Bundeshauptstadt: "Sachverständige bewerten den Lagezuschlag in einem Gerichtsverfahren oftmals undurchschaubar und generell zu hoch." Es sei ohnehin ein Posten, zu dem der Vermieter nichts beiträgt: "Denn das ist eine Infrastrukturleistung der Stadt."

Auch Zuschläge für einen Telekabelanschluss oder eine Gegensprechanlage zu verrechnen, sei heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Das gehöre zur Basisausstattung einer Wohnung, so Hanel-Torsch. Den Plänen der SPÖ zufolge soll der Lagezuschlag künftig mit maximal zehn Prozent des Richtwerts festgesetzt werden. Die Zustimmung der ÖVP dafür zu gewinnen, dürfte sich jedoch sehr schwierig gestalten.

Denn Investoren-Präsident Louzek relativiert die Mietzinssteigerung in Wien. Sie sei nicht so drastisch, wie öffentlich oftmals dargestellt, meint er. "Vielleicht sind die Mieten bei Neuvermietungen teurer geworden. Aber nicht über den gesamten Mietbestand. Bei bestehenden Verträgen können sie nicht erhöht werden. Diese werden an den Index angepasst. Das muss man ins richtige Licht rücken." Bei Neuvermietungen wurden die erhöhten Lagezuschläge in Wien zwar eine Rolle spielen, aber "das ist völlig rechtens, das kann man dem Vermieter nicht vorwerfen", so Louzek.

Mietzinsbeschränkung versus Marktmechanismen

Während die Mietervereinigung auf die öffentliche Hand setzt und die Mieten direkt senken will, pochen die Investoren auf die Regelung durch den freien Markt, auf dem sich die Mietpreise - bestimmt durch Angebot und Nachfrage - einpendeln. Deshalb stößt Investorenpräsident Louzek auch eine "staatliche Einmischung" durch die diskutierte Mietrechtsbremse sauer auf: Private Hauseigentümer hätten angesichts einer Mietzinsdeckelung keinerlei finanziellen Anreiz, ihre Wohnungen zu vermieten. Ausländische Investoren würden aufgrund dieser "Zwangsbewirtschaftung"abgeschreckt, Immobilien zu kaufen. Mit der Folge, dass der Mietwohnungsmarkt weiter schrumpfen und die Preise langfristig in die Höhe schnellen würden. "Da muss man fast zu den privaten Hauseigentümern sagen: Vermietet nicht, sondern parifiziert eure Liegenschaft und verkauft sie", sagt Louzek. Was in Wien bereits geschehe. "Ein Investor hat eine Berechtigung, dass er eine Rendite macht. Das ist nichts Verwerfliches", sagt er und rechtfertigt damit den Wunsch nach einem frei bleibenden Mietzins.

Mietervereinigungs-Vorsitzende Hanel-Torsch hakt hier ein: "Das Argument, dass die Privaten wegen dem Mietrechtsgesetz nicht bauen, ist unlogisch. Für die frei finanzierten Neubauten gilt es ja nicht. Also warum tun sie es nicht?" Louzek fordert Investitionsanreize für die gewerblichen Bauträger, um den Wohnungsmarkt anzukurbeln. Sprich: Steuerliche Vorteile beim Bauen schaffen, wie Investitionsfreibeträge. Mehr Geschoßaufbauten und Dachgeschoßausbauten auf bestehenden Gebäuden von Seiten der Stadt zulassen (Stichwort: "Nachverdichtung der Stadt"). Damit könnte man der für Ballungsräume typischen Grundstücksknappheit begegnen, so Louzek. In Wien gäbe es genügend Flächen mit bereits vorhandenen Objekten. Mit dem Vorteil, diese nicht umwidmen oder eine neue Infrastruktur bauen zu müssen. Daneben macht er sich für eine Vereinfachung der Baugenehmigungsverfahren stark: "Ich höre von vielen privaten Bauträgern, dass es schwer ist, Baubewilligungen zu bekommen."

Grund für die steigenden Mietpreise ist in Wien neben dem seit der Wirtschaftskrise 2008 stark gestiegenem Interesse an Immobilien als Anlageobjekt, aber auch der starke Zuzug nach Wien. Allein 2015 wuchs die Stadt um 43.200 neue Bewohner. Die MA23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik) geht von einem Bevölkerungswachstum auf zwei Millionen Menschen bis 2023 aus. Zudem verändern sich die Wohnbedürfnisse: Die Singlehaushalte wachsen an, mehr als 40 Prozent sind es bereits. Mit knapp zwei Personen pro Haushalt hat Wien die niedrigste Anzahl bundesweit.

Wohnungsmangeltreibt Mietpreise

Immobilienexperten warnten deshalb bereits vor einem akuten Wohnungsmangel in Wien. Sie fordern eine Neubauleistung von 10.000 Wohnungen pro Jahr. Mietrechts-Vorsitzende Hanel-Torsch sieht das ähnlich: "Es ist eine Aufgabe der Stadt, für Wohnraum zu sorgen. Die Fördermittel werden bereitgestellt. Es muss rasch gebaut werden."

Die geforderten 10.000 Wohnungen wurden in den vergangenen Jahren noch nicht erreicht. 2014 wurden laut Statistik Austria insgesamt 6463 Wohnungen in Wien gebaut. 2015 für 12.028 Objekte die Baubewilligung erteilt (jeweils ohne An-, Auf-, Umbautätigkeit).

Wohnbaustadtrat Ludwig versprach ab 2017 eine jährliche Neubauleistung von 13.000 Wohnungen. 9000 sollen davon gefördert errichtet werden. Damit stärkt man ein in Wien alt bewährtes System: In den letzten Jahren betrug der geförderte Neubau stets um die 7000 Einheiten.

Neben dem geförderten Wohnbau setzt die Stadtpolitik auf ein weiteres, in Wien fest verankertes, Miet-Segment: Die Gemeindebauten sollen bis 2020 auf 4000 verdoppelt werden. Seit mehr als 20 Jahren wurden keine mehr gebaut. Neu sind dabei die Mietdeckelung von 7,50 Euro pro Quadratmeter (inklusive Betriebskosten und Steuer) sowie der Entfall der Eigenmittel. Diese musste der Mieter aufbringen, um zur Projektfinanzierung beizutragen.

Der erste Neo-Gemeindebau entsteht in der Fontanastraße im 10. Bezirk mit 120 Wohnungen. Zurzeit lebt jeder vierte Wiener im Gemeindebau. Die Durchschnittsmiete beträgt 6,80 Euro pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten.

Investoren-Präsident Louzek sieht die Wohnbau-Offensive der Stadt grundsätzlich positiv. Trotzdem wiederholt er seinen Wunsch nach Anreizen für die privaten Bauträger: "Die öffentliche Hand kann das nicht alleine leisten. Die Politik hat lange verschlafen, den Privaten unter die Arme zu greifen." Gegenwärtig habe sich der Wohnungsmarkt für gewisse Schichten zugespitzt, in Zukunft sehe er aber keine "große Obdachlosigkeit" in Wien. Auf die Frage, ob Marktmieten von 9,20 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietung langfristig nicht trotzdem zu hoch seien, antwortet Louzek: "Anscheinend zahlt das ja noch wer. Der freie Markt reguliert das schon."

"Mieten steigen, Einkommen stagnieren"

Mietervereinigungs-Vorsitzende Hanel-Torsch sieht das Problem jedoch gerade bei den Einkommen: "Die Mieten steigen und werden angepasst, das Einkommen stagniert aber." Um dem Einhalt zu gebieten, unterstützt sie einerseits den geförderten Neubau, anderseits fordert sie abermals eine Mietrechtsreform: "Der geförderte Bereich ist ein Vorbild in Europa. Wien gibt als einziges Bundesland sämtliche Gelder für den geförderten Wohnbau tatsächlich aus. Aber wir brauchen auch eine Vereinheitlichung des Mietrechts."