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Bewegung in Syrien

Von Rene Tebel

Gastkommentare

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Am vergangenen Freitag gab ein Sprecher der syrischen Armee offiziell die Einnahme von Khan Shaykhun bekannt. Fünf Jahre lang stand die strategisch wichtige Stadt an der Autobahn zwischen Aleppo und Damaskus unter Kontrolle islamistischer Rebellenmilizen. Mit dem Fall von Khan Shaykhun ging ebenso der Rückzug der Dschihadisten aus weiter südlich gelegenen Rebellengebieten einher, um einer Einkesselung durch Regierungstruppen zu entgehen. Damit gelang es der syrischen Eliteeinheit, den "Tiger Forces", unterstützt von russischen und iranischen Bodentruppen, die südliche Verteidigungslinie der Dschihadisten zu durchbrechen.

Die Brisanz dieses Erfolges zeigen zwei Begebenheiten aus der vergangenen Woche: Die Türkei, die geopolitisch gemeinsam mit Russland die USA durch den Astana-Friedensprozess als Ordnungsmacht im Mittleren Osten ablösen möchte und sich zudem voriges Jahr gegenüber dem Kreml verpflichtet hatte, eine Deeskalationszone entlang der Grenze der Rebellenenklave durchzusetzen, stand mindestens seit Mai im Verdacht, die Islamisten verdeckt mit Waffensystemen zu versorgen. Daher stoppte die syrische Luftwaffe in einer beispiellosen Aktion einen türkischen Militärkonvoi durch ein Bombardement in seiner allernächsten Nähe. Laut einem unbestätigten Bericht der üblicherweise ausgezeichnet recherchierenden und aus Militärquellen versorgten israelischen Nachrichtenseite "Debkafile" überflogen daraufhin türkische Kampfflugzeuge das Schlachtfeld. Russische Abfangjäger sollen aufgestiegen sein und das russische Raketenabwehrsystem die türkischen Kampfflieger bereits erfasst haben. Dieses kompromisslose russische Vorgehen lässt davon ausgehen, dass Präsident Wladimir Putin seine begrenzte Militäroffensive zu Ende bringen möchte und die Kontrolle über die strategisch wichtigen Handelshauptadern M4 und M5 anstrebt.

Die zweite wichtige Neubestimmung betrifft das türkisch-syrische Grenzgebiet, das mehrheitlich von Kurden bewohnt wird. Dem massiven Drängen Ankaras nach einer Sicherheitszone gaben die USA Anfang August nach. Mittlerweile fand bereits der erste gemeinsame Patrouillenflug statt. Mit dieser Maßnahme wollen die USA den Sicherheitsinteressen beider Kontrahenten Rechnung tragen. Den Kurden haben sie aber schon mehrfach deutlich signalisiert, dass sie weder für sie einen Krieg mit der Türkei riskieren noch einen souveränen kurdischen Staat unterstützen wollen.

Aus den jüngsten Entwicklungen könnte insbesondere Präsident Bashar al-Assad als Sieger hervorgehen. Etwa die Hälfte des Rebellengebiets in Idlib könnte ihm nun zufallen; die Kurden, die etwa 30 Prozent des syrischen Territoriums kontrollieren, müssten politisch auf ihn zugehen. Putin wird wohl dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine gesichtswahrende Lösung vorschlagen, ohne im Kern nachzugeben. Wie diese Lösungen aussehen, entscheiden die nächsten Wochen. Putin und Erdogan treffen einander schon diesen Dienstag in Moskau und dann erneut am 16. September bei einem trilateralen Treffen mit dem Iran in Ankara.