Dass London 2012 für Österreich bisher medaillenlos verlief, mag ärgerlich sein, die Mitgründe dafür sind aber wahrlich besorgniserregend.
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Die olympischen Leichtathletik-Bewerbe haben begonnen, und sie beginnen traditionell mit dem Auftritt der Exoten, den Athleten aus Vanatu, Palau, Cook Island, Curaçao. Und Österreich. Aus heimischer Sicht begann der Tag dann richtig gut, denn Siebenkämpferin Ivona Dadic lief persönliche Bestzeit über 100 Meter - und landete auf letzten Platz. Nun ist Dadic freilich erst 19 Jahre jung, sie ist ein großes Talent, niemand hatte damit gerechnet, dass sie jetzt schon das Limit für London schaffen würde. Doch wo sind Routiniers? Wo die österreichischen Leichtathleten, die um ein Finale, vielleicht sogar um Medaillen kämpfen? Bis auf Diskuswerfer Gerhard Mayer gibt es sie nicht, nicht mehr.
An der Spitze ist die Luft in fast allen olympischen Sportarten so eng, dass über Edelmetall Tagesform und Glück entscheidet. Hätte Ludwig Paischer nicht schon in Runde zwei den weltbesten Judoka zugelost bekommen, Roland Schlosser im Fechten nicht den späteren Olympiasieger in Runde eins, vielleicht wären diese Spiele besser verlaufen.
Doch nun wird es langsam immer realistischer, dass die rot-weiß-rote Delegation erstmals seit 1964 ohne Medaille die Heimreise antreten muss. Und angesichts einiger Enttäuschungen verlieren die Beteiligten nun sichtbar die Nerven.
Dinko Jukic will zum Robin Hood des österreichischen Sports werden, Sportminister Norbert Darabos bezeichnete Athleten als Olympiatouristen, ÖOC-Chef Karl Stoss ritt den Gegenangriff, Darabos beschwerte sich über BSO-Präsident und Parteikollegen Peter Wittmann, der kritisierte zurück, und andere Parteien machen nun Darabos für den Olympiaflop verantwortlich.
Peter Kleinmann, Mitglied im ÖOC-Vorstand, sagt: "Jetzt sind alle aufgeweckt." Im Scheitern liegt auch eine Hoffnung für den obersten Volleyballer, die Hoffnung auf Veränderung.
Denn die Medaillenbilanz ist nur die sichtbare, kleine Spitze eines Eisbergs, der in Wahrheit auch ganz andere Folgen hat als jene, dass die patriotischen Bedürfnisse der Österreicher nicht befriedigt werden. Der Anteil der sporttreibenden Jugendlichen geht immer weiter zurück, nur noch 25 Prozent der Mädchen, 33 Prozent der Burschen sind sportlich aktiv, wie eine Studie berichtet. Der volkswirtschaftliche Schaden von Nicht-Bewegung beläuft sich demnach auf 3,1 Milliarden Euro. In Kindergarten und Schule wurde Sport und Bewegung zusehends reduziert und befindet sich mittlerweile nahe der Inexistenz. Und selbst jene Jugendlichen, die Sport treiben wollen, finden keine zeitgemäße Infrastruktur vor. Fast schon legendär sind die nur drei 50-Meter-Becken in ganz Österreich, von denen jenes in der Stadthalle derzeit unbenützbar ist. Dass die Medaillenanwärter in London erfolglos waren, mag mit Pech zu tun haben, dass Österreich bei Olympia aber zusehends zum Exotenland wird, ist systematisch - und politisch! - bedingt. Im Parlament herrscht seit vielen Jahren Einigkeit darüber, dass sich Kinder mehr bewegen sollen, und doch hat es stets das Gegenteil beschlossen. "Österreich ist bewegungslos", sagt Kleinmann, "wir steuern auf ein Desaster zu." Und er meint nicht medaillenlose Spiele. Die werden noch das geringste Problem sein.