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"Bewusste Provokation ist falscher Weg"

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

Europaarchiv
Ferrero-Waldner. Foto: reu

EU-Außenkommissarin: "Olympische Spiele nur im Geist des Friedens." | "Wiener Zeitung": Der Konflikt zwischen tibetischen Mönchen und der chinesischen Regierung artet aus. Wie wird Europa auf die neuerliche Spannung zwischen Tibet und Peking reagieren? | Benita Ferrero-Waldner: Wir haben auf allen verfügbaren diplomatischen Wegen in Brüssel und in Peking unsere Forderung nach einem Ende der Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten und einer Zurückhaltung der chinesischen Sicherheitskräfte klar zum Ausdruck gebracht. Es ist zumindest ermutigend, dass jetzt doch wieder einige Journalisten und Diplomaten nach Tibet gelassen werden, um die Geschehnisse zu verfolgen.


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Wie kann eine Lösung gefunden werden?

Wir unterstützen vollauf die Forderung des Dalai Lama nach Aufnahme eines konstruktiven Dialogs zwischen der chinesischen Regierung und den Vertretern des Dalai Lama. Dabei müssen Kernthemen wie der Schutz und Erhalt der tibetischen Religion, Kultur, Sprache und Traditionen, gleiche Möglichkeiten für Tibeter in Bildung und Wirtschaft etc. angesprochen werden. Das sind die eigentlichen Themen, wenn man eine anhaltende Lösung finden will.

In den letzten Tagen haben Sie auch mehrfach auf etwaige Auswirkungen auf die Olympischen Spiele hingewiesen...

Aus meiner Sicht müssen die Olympischen Spiele in einem Umfeld stattfinden, das den Olympischen Geist des Friedens widerspiegelt. Das heißt für mich auch uneingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit. Und daran müssen wir in den kommenden Wochen und Monaten arbeiten, damit sich die Spiele ganz dem fairen Wettbewerb der besten Sportler widmen können.

Ein weiteres Topthema dieser Tage ist der Anti-Koran-Film "Fitna" von Geert Wilders. Der Großmufti von Syrien meinte gestern, der holländische Rechtspopulist Wilders habe das Feuer auf den Islam eröffnet.

Ich habe den Film nicht gesehen und habe auch keinesfalls vor, ihn anzusehen. Ich kann Ihnen nur grundsätzlich sagen, was ich dazu denke. Die Meinungsfreiheit ist für uns ein zentrales, ja fundamentales Gut. Aber sie kommt nicht ohne Verantwortung. Jeder, der sich auf sie beruft, muss auch wissen, wo ihre Grenzen sind. Eine bewusste Provokation in einer so sensiblen Phase wie heute ist der falsche Weg. Heute, wo es uns darum geht, einen respektvollen Weg zueinander zu finden, darf niemand Öl ins Feuer gießen. Gleichzeitig stelle ich auch unmissverständlich klar: Jede Gewaltandrohung als Reaktion darauf ist entschieden abzulehnen. Gewalt darf niemals Teil der politischen Debatte sein.

Die Regierung in Amsterdam ist bereits seit Monaten um Schadensbegrenzung bemüht.

Ministerpräsident Balkenende hat sich eindeutig von dem Film distanziert und unterstrichen, dass dies nicht die Position der niederländischen Regierung oder des niederländischen Volkes widerspiegelt. Ich denke, das ist die richtige Position.

Zum Irak: Nach fünf Jahren Besatzung steht das Land weit entfernt von einem Demokratisierungsprozess. Gewalt und Terror sind Bestandteil des Alltags in Bagdad und Basra.

Es stimmt: Auch wenn wir in den vergangenen fünf Jahren beachtliche Fortschritte beim Aufbau eines demokratischen Irak gemacht haben - die nach wie vor schwierige Sicherheitslage trübt das Bild. Sie verhindert, dass wir mehr Helfer ins Land schicken können, um ihr Wissen zu vermitteln und bei der Umsetzung von Projekten zur Hilfe der Bevölkerung zu helfen.

Die EU-Kommission hat auch schon konkrete Schritte gesetzt...

Ja, mit der Eröffnung einer Kommissionsvertretung und der Entsendung eines Botschafters der Kommission habe ich ein klares Zeichen unseres Bekenntnisses zur langfristigen Unterstützung des Irak und des irakischen Volkes gesetzt.

Abschließend noch eine Frage zum Iran: Die Konservativen um Präsident Ahmadinejad haben die Parlamentswahlen gewonnen. Das heißt, der "no-fear" Kurs in Atom- und Außenpolitik wird fortgeführt. Bedeutet das für Europa nicht einen beschwerlichen Weg zur Lösung des Atomstreits und der Beziehungen zum Iran?

Die internationale Gemeinschaft ist sich einig: Iran muss die relevanten Auflagen des UN-Sicherheitsrates erfüllen. Daran führt kein Weg vorbei. Zwar spricht niemand Iran das Recht ab, Atomkraft zivil zur Stromversorgung des Landes zu nutzen, aber laut IAEO gibt es massive Zweifel am Charakter des iranischen Atomprogramms und diese müssen von Teheran ausgeräumt werden.

Benita Ferrero-Waldner (59) ist seit 2004 EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik. Zuvor leitete die ÖVP-Politikerin das Außenministerin in Wien. Sie ist mit dem spanischen Universitätsprofessor Francisco Ferrero Campos verheiratet.