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"Bezahlt wird mit persönlichen Daten"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Die oft lästigen Plastikkarten in der Geldbörse ersetzen viele Händler bereits durch Anwendungen für das Smartphone, bei denen die Kundenkarte am Handy gespeichert wird. Foto: Fotolia

Mit Bonuspunkten und individuellen Gutscheinen buhlen Händler um Kunden. | Kaufverhalten wird aufgezeichnet. | Wien. "Haben Sie eine Kundenkarte?", fragt die Kassiererin an der Supermarktkasse. Viele Händler verfügen mittlerweile über Kundenbindungsprogramme, um mehr über ihre Kunden zu erfahren. "Große Unternehmen machen das, was früher der Greißler gemacht hat: Sie schauen, welche ihre Stamm- und besten Kunden sind und welche nur selten vorbeischauen", sagt Wolfgang Hafner, Geschäftsführer des Beraters Dialogic und Vorstand des Dialog Marketing Verbandes Österreich (DMVÖ).


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Jeder hat fünf Karten

Drei Viertel der Österreicher besitzen mindestens eine Kundenkarte, im Durchschnitt verfügt jeder über fünf, vor allem von Lebensmittel- und Drogeriehändlern. Die Kundenkartenbesitzer erhalten Bonuspunkte, Preisvorteile, ein Geburtstagsgeschenk, Kundenmagazine oder Veranstaltungseinladungen. Mit maßgeschneiderten Marketingaktionen und Preiszuckerln soll die Zahl jener Kunden klein gehalten werden, die zur Konkurrenz abwandern. Stammkunden würden sich über den intensiven Kontakt mit dem Händler freuen und ihn als Service erleben, so Hafner.

Zu den am weitesten verbreiteten Karten in Österreich zählen jene des Rewe-Konzerns - etwa von Billa, Merkur und Bipa.

Bereits 1983 hat der oberösterreichische Sporthändler Intersport Eybl eine Kundenkarte eingeführt, mehr als 1,7 Millionen wurden bisher ausgegeben. Kunden mit einem besonders hohen Jahresumsatz erhalten neben den Kundenkarten-Vorteilen Gutschein-Scheckhefte und werden beispielsweise zu Sportartikel-Testtagen eingeladen. Die direkte Kundenansprache und One-to-one-Marketing wurden bei Eybl bereits sehr früh eingeführt, heißt es von Intersport Eybl. Ein Beispiel dafür sind kundenindividuelle Newsletter, die personalisiert und nach bestimmten Merkmalen aus der Datenbank wie Filialen, Interessensgebiete und Umsatz gefiltert werden: So können bestimmte Themen und Gutscheine an einen vorher ausgewählten Stammkundenkreis gesendet werden.

Damit Kunden auf die Plastikkarten in der Geldbörse verzichten können, bieten Händler wie Eybl eine Anwendung (App) an. Hier wird der Code auf dem Mobiltelefon gespeichert und vom Scanner an der Kassa gelesen. Die Technologie, den Kunden mittels Fingerabdruck zu registrieren, wird laut Hafner allerdings kein großer Erfolg: Dies sei den Konsumenten zu persönlich.

Daten weiterverkauft?

Unternehmen verfolgen mit Kundenkarten die Strategie, dass die Verbraucher weniger die Preise vergleichen, sagt Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation. Und oft verleiten Gutscheine oder Stammkunden-Aktionen, dass man mehr einkauft als geplant.

So verlockend die Vorteile eines Kundenbindungsprogrammes auch erscheinen - Verbraucher kaufen nicht mehr anonym ein, wenn sie die Plastikkarte verwenden. "Bezahlt wird mit persönlichen Daten", sagt Hager. "In manchen Geschäften wird ein normaler Kunde ohne Kundenkarte durch höhere Preisen bestraft. Ich gehe in diese Geschäfte nicht mehr hinein", sagt Georg Markus Kainz von der Datenschutzorganisation Quintessenz.

"Den Verbrauchern ist oft nicht bewusst, dass die Händler aus den Daten weitreichende Schlüsse ziehen können. Das geht bis ins Intimleben - die Firmen wissen über Lebensführung, Reisegewohnheiten und Arbeitsplatz Bescheid", sagt Hans Zeger von der Arge Daten. Konsumenten müssten sich überlegen, ob ihnen die Vorteile es wert sind, dass sie ihr Kaufverhalten preisgeben.

Aufschlussreich sind vor allem Daten, welche Produkte in welcher Menge gekauft werden - Verbraucher sollten sich aber auch das Antragsformular genau durchlesen, bevor sie bei einem Stammkundenprogramm mitmachen.

Oft werden mehr Daten abgefragt als für die Ausstellung der Kundenkarte nötig ist, heißt es von der Arbeiterkammer. Verbraucher sollten darauf achten, welche persönlichen Angaben verpflichtend und welche freiwillig sind.

Bei der Weitergabe an Dritte müssen Kunden erkennen, welche Daten an welche Unternehmen weitergegeben werden. Der Großteil der Unternehmen halte sich nicht an die Vorgaben des Datenschutzgesetzes und verwende streitbare Formulierungen wie "Ich bin an Informationen von anderen Firmen interessiert", sagt Zeger.

"Es ist schon verwunderlich, von wem man Zuschriften bekommt, wenn man seine Daten bekannt gegeben hat", sagt Datenschützer Kainz. Wie die Datenweitergabe zustande gekommen ist, sei allerdings schwer zu beweisen. An Daten kommen Firmen über Gewinnspiele: Auch wenn manche Kunden Fantasienamen für die Karte angeben - bei einem Gewinnspiel geben die Konsumenten ihren richtigen Namen und ihre Adresse an.

Während Konsumentenschützer überzeugt sind, dass manche Händler Daten zu Geld machen, entgegnet Dialogmarketer Hafner solchen "Schauergeschichten, dass Unternehmen Daten weiterverkaufen".

Unseriöse Programme

Abzuraten ist laut Konsumentenschützern Programme, wo Vorteile erst ab einem hohen Jahresumsatz gewährt werden - oder bei Preisrabatten von mehr als 30 oder 40 Prozent. "Das ist ein Hinweis, dass der Händler unseriös kalkuliert", sagt Zeger. Anonyme Kundenbindungsprogramme wie Treuepunkte greifen weniger stark in die Privatsphäre ein. Hier können Unternehmen das Kaufverhalten nicht über längere Zeit beobachten.

Spar hat sich etwa bewusst gegen eine Kundenkarte entschieden und verschickt Gutscheinhefte oder macht Treuepunkt-Aktionen, bei denen Produkte mit den Punkten gekauft werden können. "Wir wollen alle Kunden gleich behandeln und niemanden bei Aktionen und Rabatten bevorzugen", so Spar-Sprecherin Nicole Berkmann.