)
Abfuhr der Lehrergewerkschaft für Spindeleggers 26-Stunden-Woche.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wenn am Freitag in Österreich Zeugnisse verteilt werden, ist das Schuljahr für viele abgeschlossen - aber nicht für alle. Und nicht nur auf den ein oder anderen Schüler wartet nach dem Sommer ein Nachzipf, auch die Politik wird sich im Herbst mit ihren Altlasten - Stichwort Lehrerdienstrecht - beschäftigen müssen. Kurz vor Ferienbeginn ließ Vizekanzler Michael Spindelegger mit dem Vorschlag aufhorchen, Lehrer sollen 26 Stunden pro Woche in der Schule unterrichten.
Zuvor hieß es im kürzlich präsentierten ÖVP-Modell, die genaue Stundenanzahl soll die Gewerkschaft mit den Lehrern je nach Schultyp ausverhandeln. Mit den konkreten Stunden nannte Spindelegger eine Zahl, die höher ist als alle bisherigen Vorschläge (siehe Wissen). Damit das Lehrerdienstrecht noch vor der Wahl am 29. September durchgeboxt werden kann, bedarf des einer Einigung zwischen Regierung und Gewerkschaft. Kommende Woche steht die 29. Verhandlungsrunde an. Sollte auch diese nicht erfolgreich sein, will sich Bundeskanzler Werner Faymann einschalten.
Nun ist ihm Spindelegger zuvor gekommen: Er lud seine Parteikollegin Finanzministerin Maria Fekter, die Gewerkschaft und Faymann zu einem Gespräch am Donnerstag ein - doch Letzterer will wie gehabt den Termin zum Lehrerdienstrecht am 3. Juli abwarten und sich erst dann einklinken, wenn auch dieser kein Ergebnis bringt. Fekter sowie Fritz Neugebauer werden der Einladung wohl nachkommen - wiewohl die Gewerkschaft es sich nicht nehmen ließ, ihr "Njet" schon einmal vorauszuschicken: "Die derzeitige Diskussion baut auf Klischees auf. Arbeit ist für Lehrer mehr als reiner Unterricht", sagt Chefverhandler Paul Kimberger zur "Wiener Zeitung". Bevor die Entscheidung auf eines der Dienstrechtsmodelle falle, müsse eine neue Beschreibung des Berufsbildes und eine Arbeitszeitstudie her. Das an Anwesenheitspflicht gekoppelte Modell der ÖVP bezeichnet er als "unrealistisch": Die für die Vorbereitungen des Unterrichts erforderlichen Arbeitsplätze seien schlichtweg nicht vorhanden.
Eine Anwesenheitspflicht statt einer Lehrverpflichtung sei nicht im Sinne der Regierungsbeschlüsse, heißt es auch aus dem Büro der Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Die Arbeitszeit der Lehrer abseits des Unterrichts - also für Vorbereitung, Korrekturarbeit oder Fortbildung - wird derzeit je nach Schultyp geregelt. "Eine Vereinfachung ist sicher vernünftig", sagt Christa Koenne, langjährige AHS-Direktorin außer Dienst. Natürlich sei der Beruf des Lehrers mehr als reine Unterrichtszeit, sie sagt aber auch: "Ich finde es peinlich, dass wir nach Minuten bezahlt werden." Wie alle Berufe habe sich auch der des Lehrers stark verändert.
"Skurril": Spindeleggers Ruf nach Aufnahmeprüfung
Sie ist für das Jahresarbeitszeitmodell: "Es ist sinnlos, die Woche als Berechnungszeitraum herzunehmen." Unterricht in den Ferien ist für sie prinzipiell denkbar; leitet ein Lehrer etwa eine Experimentenwoche im Sommer, soll er im restlichen Jahr weniger unterrichten. Damit könne man starre Strukturen im Schulsystem aufbrechen: "Einmal pro Woche 50 Minuten Biologie ist zu wenig, um Interesse zu wecken." Für "skurril" hält sie den Ruf nach einer Aufnahmeprüfung für die AHS, die Spindelegger neben der 26-Stunden-Woche forderte: Dass punktuelle Prüfungen bei 10-Jährigen nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen führen, sei erwiesen. Sie kann sich Prüfungen am Ende der Schulpflicht vorstellen.
Früher will Kimberger ansetzen: Er will einen "Talente Check" im Elementarbereich, die Schullaufbahn eines Kindes von klein auf planen und nachevaluieren. Koenne wünscht sich eine Interessenvertretung: "Uns Lehrern fehlt eine Organisation, die für uns zuständig ist. Wir haben nur die Gewerkschaft, die für die Arbeitsbedingungen wichtig ist, aber Bildungsinhalte sind nicht ihr Thema." Der Status quo ist für sie nicht tragbar: "Schule ist ein Ort, den alle so schnell wie möglich verlassen wollen."
Derzeit unterrichten Bundeslehrer (AHS, BHS) 20 Stunden pro Woche, Pflichtschullehrer (Volksschule, Hauptschule, Neue Mittelschule) haben eine vorgegebene Jahresarbeitszeit von 1776 Stunden, das entspricht 20 bis 22 Stunden pro Woche. Das neue Lehrerdienstrecht soll ihre Bezahlung, aber auch die Arbeitszeit vereinheitlichen. Der Regierungsvorschlag sieht eine Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden für alle Lehrer vor. Je nach Fach und Klassenstufe gibt es Zulagen von null bis im Höchstfall mehr als 800 Euro pro Monat. Das ÖVP-Modell will die Anwesenheitspflicht der Lehrer am Schulstandort festschreiben. Die zuletzt genannte 26-Stunden-Woche wäre je nach Fach und Schultyp zwei bis acht Stunden mehr als derzeit. Bei dem vom Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ins Spiel gebrachten "norwegischen Modell" wird die Jahresarbeitszeit (1687,5 Stunden) in von der Schule fixierte Arbeitszeit (Unterricht, Exkursionen) und flexible Arbeitszeit eingeteilt. Letztere umfasst etwa Vorbereitungszeit, die auch an der Schule verbracht werden kann. Hier werden viele Entscheidungen in die Autonomie der Schulen verlagert und weder auf eine Unterrichts- noch eine Anwesenheitsverpflichtung gesetzt.