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Beziehungen Moskau-Brüssel auf Eis

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Verhandlungen frühestens wieder im November. | Brüssel. Russland gibt sich kooperativ; doch die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der EU über ein neues Grundsatzabkommen dürfte auf sich warten lassen. Zwar wollen die meisten Mitgliedsstaaten die Gespräche fortsetzen, die nach dem russischen Einmarsch in Georgien gestoppt worden waren. Doch einigen EU-Ländern geht das zu schnell. Denn Uneinigkeit herrscht über die Bedingungen für diesen Schritt, der auch beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch und Donnerstag ein Thema sein wird. "Die nächste Runde der Verhandlungen ... könnte im November abgehalten werden", heißt es in einem Entwurf der Gipfelbeschlüsse, der der "Wiener Zeitung" vorliegt.


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So werden sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am Montag wohl vor allem darauf beschränken, den fristgerechten Abzug der russischen Truppen aus dem georgischen Kernland zu begrüßen. Obwohl der offizielle Bericht der EU-Beobachter in Georgien noch aussteht, bestätigte EU-Chefdiplomat Javier Solana bereits am Freitag den Abbau der 18 Stellungen und der Militärbasis in den Pufferzonen um die abtrünnigen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien. Damit haben die Russen pünktlich zum 10. Oktober eine Kernforderung der EU erfüllt.

EU-Länder uneinsüber Bedingungen

Und die EU-Kommission verfüge über ein intaktes Verhandlungsmandat und könne die Gespräche nach der "Einhaltung der Abzugsvereinbarung" durch Moskau jederzeit wieder aufnehmen, hieß es in Diplomatenkreisen. Dazu sei kein zusätzlicher Beschluss der Mitgliedsstaaten notwendig. Dieser Meinung ist offenbar eine deutliche Mehrheit der EU-Länder, darunter Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. "Doch Litauen sieht das anders", sagte ein hochrangiger Diplomat.

Und dabei ist der kleine baltische Staat nicht allein. Auch Großbritannien, Schweden, Polen, Ungarn, Tschechien, Estland und Lettland seien sehr besorgt, hieß es. Es könne keinen Automatismus in einer so extrem sensiblen Angelegenheit geben. Eine einstimmige politische Entscheidung der Mitgliedsstaaten sei für die Fortsetzung der Grundsatzverhandlungen mit Russland unbedingt notwendig.

Die Kooperation der Russen und die erfolgreiche Installierung der EU-Mission in Georgien seien zwar "ziemlich ermutigende Signale", meinen die Kritiker rascher neuer Verhandlungen. Doch sei die von den Staats- und Regierungschefs bestellte Analyse der EU-Kommission für die eventuelle Neubewertung der EU-Russland-Beziehungen noch nicht fertig. Sie wird für die zweite Monatshälfte erwartet. Und auch die so genannten Genfer Verhandlungen über sie weitere Vorgehensweise in Georgien seien abzuwarten, die nächste Woche anlaufen sollen. Unklar sei bisher etwa, "in welcher Eigenschaft" Süd-Ossetien und Abchasien an den Gesprächen teilnehmen sollen, hieß es. Denn Russland hat die beiden abtrünnigen Provinzen als unabhängige Staaten anerkannt, für die EU gehören sie dagegen zu Georgien.

Dass Moskau die Anerkennung der beiden separatistischen georgischen Regionen zurücknehmen oder seine Soldaten von dort abziehen müsse, würden aber keine Bedingungen sein, hieß es in Diplomatenkreisen. Denn damit wäre die Wiederaufnahme der Verhandlungen der EU mit Russland für viele Jahre auf Eis gelegt.

Neben den Sorgen mit den Russen wollen die EU-Außenminister auch eventuelle Lockerungen der Sanktionen gegen das weißrussische Regime prüfen und den EU-Gipfel vorbereiten. Der wird massiv von der gegenwärtigen Finanzkrise überschattet sein.