Unter Donald Trump steigen die USA wieder in das Rennen um die Rohstoffschätze der Arktis ein.
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Fairbanks. Die Kapitulation kam plötzlich und vor allem unerwartet. In einem vergleichsweise dürren Statement gab der britisch-niederländische Energie-Multi Shell im September 2015 bekannt, dass alle Probebohrungen am "Burger J"-Areal in der Tschuktschensee eingestellt werden und der Konzern für absehbare Zeit auch die Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern vor der Nordküste Alaskas aufgibt. Zu teuer war die Exploration angesichts des auf unter 50 Dollar gefallenen Ölpreises gewesen, und zu unsicher schienen damals auch die politischen Rahmenbedingungen mit dem sich langsam abzeichnenden Ende der Amtszeit von Barack Obama.
Tatsächlich sollte der scheidende US-Präsident knapp ein Jahr später große Gebiete in der Arktis zu Schutzzonen erklären, um sie dem Zugriff der Ölkonzerne langfristig zu entziehen. Die Goldgräberstimmung, die vor allem zu Beginn des Jahrzehnts geherrscht hatte, schien damit endgültig zu Ende. Doch knapp ein halbes Jahr später erscheint all das bestenfalls als Verschnaufpause. Donald Trump, der neue Mann im Weißen Haus, hat seinen Mitarbeitern bereits Ende April aufgetragen herauszufinden, wie man Obamas eigentlich nur sehr schwer wieder aufzuhebende Meeresschutzverordnung doch noch knacken könnte. Denn aus Trumps Sicht entgehen den USA durch die Bohrverbote "potenziell abertausende Jobs und Milliarden von Dollar".
Mit dem nun wieder deutlich auflebenden Interesse an der Arktis dürfte sich Washington aber nicht nur den Zorn der Umweltschützer zuziehen. Auch die Rivalitäten der fünf Arktis-Anrainerstaaten - neben den USA sind das Russland, Norwegen, Dänemark und Kanada - werden sich wohl wieder deutlich verschärfen. Denn der Klimawandel lässt das ewige Eis des Nordpols noch wesentlich rascher schmelzen, als das von vielen Wissenschaftern für möglich gehalten wurde. Selbst am Höhepunkt des Winters und der eigentlichen Gefrierperiode hat es in diesem Jahr Tage mit Temperaturen fast am Schmelzpunkt gegeben. Geht es in dem Tempo weiter, könnte die Arktis im Sommer bereits in 20 bis 30 Jahren eisfrei sein, was den Abbau von Rohstoffen deutlich einfacher machen würde als bisher. Damit wäre die Ölförderung wohl selbst dann noch interessant, wenn die Preise nicht mehr ein ähnlich hohes Niveau erreichen wie Anfang dieses Jahrzehnts, als das Barrel fast durchgängig über 100 Dollar lag.
Eine Frage des Sockels
Die gigantischen Ölreserven, die laut US-Experten 13 Prozent der noch unentdeckten Bestände ausmachen, sind aber beim weitem nicht das Einzige, das die Arktis interessant macht. Auch 30 Prozent der Erdgasvorräte sollen dort lagern, daneben gibt es reiche Vorkommen an Gold, Silber Zink und Kupfer.
Doch wer Anspruch auf die Schätze der Arktis hat, ist auch nach jahrzehntelangen Verhandlungen und zahlreichen Abkommen alles andere als entschieden. Vor allem seit der Jahrtausendwende wurden von den Anrainerstaaten immer wieder Forschungsexpeditionen ausgeschickt, um die eigenen Gebietsansprüche mit geologischem Datenmaterial zu untermauern.
Gestritten wird dabei vor allem um die sogenannten Festlandsockel. Denn laut dem internationalen Seerechtsübereinkommen der UNO dürfen Staaten nur jenes Seegebiet exklusiv wirtschaftlich nutzen, das bis zu 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer) vor ihren Küsten liegt. Können die Regierungen aber die Existenz eines darüber hinaus reichenden Festlandsockels nachweisen, kann die entsprechende UNO-Behörde die Erweiterung dieser Ausschließlichen Wirtschaftszone beschließen. Besonders umstritten ist dabei der Lomonossow-Rücken, der von Moskau als in der Tiefe liegende Fortsetzung des russischen Festlandes angesehen wird, aber auch von Kanada und Dänemark beansprucht wird. Schon 2007 hatte Russland seine Ansprüche in der Region mit einer recht eigenwilligen Aktion unterstrichen. Ein Kleinst-U-Boot rammte damals eine russische Flagge in 4300 Meter Tiefe in den Meeresboden.
Leiser ist das russische Säbelrasseln seither nicht geworden. Im Juli 2015 wurde die russische Militärdoktrin dahingehend geändert, dass die Arktis nun höchste Priorität genießt. In der Region werden seitdem nicht nur Bohrinseln und Ölterminals errichtet, sondern auch große Militärbasen. Und Moskau investiert auch kräftig in die Ausrüstung der Truppe. Bei der Parade zum Tag des Sieges wurden am Dienstag erstmals auch die eigens entwickelten Fahrzeuge der Arktis-Einheiten gezeigt.
Das wiedererwachte US-Interesse an der Arktis und die russische Aufrüstung werden wohl auch die dominierenden Themen sein, wenn sich die acht Außenminister des Arktischen Rates am Donnerstag in Fairbanks zu ihrem alle zwei Jahre stattfindenden Austausch zusammentreffen. Und gemeinhin wird damit gerechnet, dass die Stimmung am Konferenztisch ebenso kühl sein wird wie die Außentemperaturen in der zweitgrößten Stadt Alaskas. Denn für US-Außenminister Rex Tillerson und seinen russischen Amtskollege Sergej Lawrow ist die neue alte Rivalität in der Arktis nun noch ein weiterer Reibepunkt in einer Beziehung, die nach Ansicht von beiden Seiten "auf dem Tiefpunkt" angelangt ist.
Ein stets offener Kanal
Doch der Arktische Rat, dem neben den fünf Anrainer-Staaten auch noch Island, Schweden und Finnland angehören, könnte nach den Verwerfungen rund um die mutmaßliche russische Beeinflussung der US-Wahl auch ein taugliches Format für einen Neustart bieten.
Denn selbst als während der Ukraine-Krise vor drei Jahren fast alle Gesprächsfäden zwischen Moskau und Washington abgerissen waren, funktionierte der Austausch im 1996 gegründeten Arktis-Forum noch vergleichsweise gut. Und anders als beim Treffen vor einem Monat in Moskau bleibt Tillerson und Lawrow in Fairbanks ein Kaltstart erspart. Bereits am Mittwoch tauschten sich die beiden Außenminister in Washington über die Konflikte in Syrien und der Ukraine aus.