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Die Hofburg-Wahl spaltete auch so manche Beziehung. Zum Beispiel die eines homosexuellen Paars aus Graz.
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Graz/Wien. Wer einen Ratgeber für Konflikte liest, bekommt in der Regel folgende Anweisung: Der Streit muss möglichst sanft verlaufen, man soll immer sachlich bleiben und seinen Standpunkt ohne direkte Kritik vertreten. Laut diesen Ratgebern gehört Streit zum Alltag, Kollegen und Freunde müssen Konflikte austragen, in Beziehungen muss ein Partner dem anderen sagen, ob ihn etwas kränkt. Das geht in vielen Fällen aber eben nicht ruhig und sachlich. Vor allem bei Uneinigkeiten, die einem ideologisch einfach nicht in den Kram passen können.
So eine Uneinigkeit kann zum Beispiel die Sympathie für einen Fußballverein sein. Spielen am Sonntag Rapid und Austria im traditionsreichen Wiener Derby gegeneinander, teilt das nicht nur Wien für einen Tag in die Farben Grün und Violett, auch die ein oder andere Beziehung sitzt dann vielleicht ein bisschen angespannter als sonst vor dem Fernseher oder geht gar getrennt ins Stadion.
Wenn ein Fußballverein schon für reichlich Diskussionsstoff sorgt, wie muss das erst sein, wenn der Partner eine fundamental andere politische Weltanschauung vertritt als man selbst? Links und Rechts in Liebe vereint scheint nur schwer vorstellbar.
"Voll im Schnitt"
Bei der Stichwahl um das höchste Amt des Staates teilte sich Österreich in Grün und Blau. Alexander Van der Bellen wurde mit einem knappen Vorsprung Bundespräsident.
60 Prozent der Frauen haben Van der Bellen gewählt, 40 Prozent Norbert Hofer. Bei den Männern war es genau umgekehrt, weshalb der logische Schluss lautet, dass in so mancher Beziehung der eine Partner Blau und der andere Grün gewählt haben muss. "Voll im Schnitt" war zum Beispiel die Beziehung zwischen dem ehemaligen FPÖ- und BZÖ-Politiker Gerald Grosz und seinem Mann Thomas Grosz-Rauchenberger beim äußerst knappen Wahlausgang am Sonntag. Gerald (39) wählte in beiden Durchgängen Hofer, Thomas (29) stimmte für Van der Bellen.
Ein Bild beider Stimmzettel vom Wahltag teilte Gerald auf dem sozialen Netzwerk Twitter mit einem lachenden Smiley hintendran. Für viele gab es in der Frage, ob Van der Bellen oder Hofer künftig Österreich nach außen hin vertreten wird, eher wenig zu lachen.
Vielmehr war es ein Richtungsentscheid mit einer zentralen Frage: mehr oder weniger Europa. Gerald und Thomas haben die Diskussion über die Hofburg-Wahl einfach ausgespart. "Wenn sich bei zwei Meinungen, die sich nicht verändern lassen, kein Kompromiss abzeichnet, braucht man auch nicht darüber reden", sagt Gerald, der von 2013 bis 2015 Bundesobmann des BZÖ war. Das habe man zum Wohle der Beziehung so gehalten, sagt der nunmehrige Wirtschaftsberater aus Graz.
"Es hätte auch keinen Sinn gehabt", sagt Thomas, der bei der Stadt Graz arbeitet. "Wir haben beide unsere unverrückbaren Ansichten, gerade bei der Bundespräsidentenwahl." Zu einer Diskrepanz sei es dennoch nicht gekommen: "Unsere Beziehung hat auch nicht mit einer Parlamentsrede von Gerald begonnen", sagt Thomas. "Politik hat nicht den Stellenwert bei uns wie man vielleicht von außen glauben mag."
Zentrale Diskrepanz
Dennoch drängt sich bei der Wahlentscheidung von Gerald, der auch unter Jörg Haider bei der FPÖ war, eine Frage auf. Der Freiheitliche Hofer ist ein Gegner der Ehegleichheit sowie Mitverfasser des FPÖ-Programmes zur Abschaffung der Eingetragenen Partnerschaft. Auch ist er der Meinung, Kinder sollen nur jene in einer Beziehung zwischen Mann und Frau adoptieren dürfen. Wie passt das für einen Mann zusammen, der nun selbst seit 2013 in einer homosexuellen Beziehung lebt?
"Ich habe nicht die FPÖ, sondern den Herrn Hofer gewählt", sagt er. "Ich habe dieses Thema bei der Wahl bewusst ausgespart." Auf Nationalratsebene würde er sich aber anders entscheiden. Die heutige FPÖ sei mit jener unter Haider - zu seiner Zeit - etwa in dieser Frage nicht vergleichbar. Hofer sei aber ein besonnener und verbindlicher Mensch, den er noch von der Regierungsbank kennt. Mit seinem strengeren Amtsverständnis wäre Hofer ein guter Bundespräsident geworden, meint Gerald. Er sei ein bürgerlicher Wähler, da kam Van der Bellen für ihn einfach nicht in Frage.
"Ich konnte keinen Deutschnationalen zum Bundespräsidenten wählen", entgegnet Thomas. Sonst gebe er seine Stimme eher dem bürgerlichen Lager. Bei dieser Wahl war es aber Van der Bellen, der er ihn in seiner Jugend sehr geprägt hat. "Seine Vorstellungen, wie Menschen miteinander leben sollen, entspricht auch meinen", sagt er. Daher war es für ihn wichtig, wie die FPÖ und Hofer zu den Rechten Homosexueller und allgemein zur Europäischen Union stehen.
Einen Streit über diese fundamental unterschiedlichen Ansichten gab es dennoch nicht. Einige Ratgeber müssen nun wohl umgeschrieben werden. Manches muss man offenbar nichts besprechen, man kann es auch aussparen.