Auseinanderklaffen zwischen "besser" und "schlechter gestellten" Bezirken soll durch Strukturreform gelöst werden.
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Wien. Wiens Bevölkerung ist im vergangenen Jahrzehnt um 8,2 Prozent gewachsen und wächst weiter: Städtische Strukturen und Aufgabenverteilungen nehmen kaum Rücksicht auf diese Entwicklung. Zeit für eine Ist- und Soll-Analyse, findet die Arbeiterkammer Wien (AK Wien) und beauftragte die Projekthaus GmbH, um "passende Strukturen für die wachsende Stadt" zu erheben.
Ungleichheiten spiegeln sich demnach in Bezirks- und Stadtpolitik wider: Höhere Einkommen und Akademikerquote, komfortable Wohnverhältnisse und eine geringere Bedrohung durch Arbeitslosigkeit in den Innenstadtbezirken. Eine schlechtere soziale Infrastruktur, die von Ausbildungsstätten über Gesundheitseinrichtungen bis hin zu Kultureinrichtungen reicht, in den Außenbezirken. So sieht das Stadtbild Wiens laut den Studienautoren Cornelia Krajasits und Adolf Andel derzeit aus.
Dass sich angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen etwas daran ändern wird, glauben sie nicht. Daher gilt es schon jetzt darauf zu reagieren. "Es gibt ein Auseinanderklaffen von sozialräumlichen Strukturen in der Stadt. Die Innenstadtbezirke und jene rund um den Wiener Wald schneiden deutlich besser ab. Diese sozialräumliche Trennung muss in den Griff bekommen werden", erklärt Krajasits.
Einher geht diese Kluft mit einer ungleichen demokratischen Teilhabe und Repräsentation aller Wiener: Hat ein Bezirksrat in der Inneren Stadt 408 Einwohner zu vertreten, kommen in Favoriten mehr als 3000 Bürger auf einen Bezirksrat. Dies könne sich laut Andel auf politischen Debatten und Projekte in Wien auswirken. Mit Ausnahme der Seestadt Aspern genießen Innenstadt-Themen wie der Ausbau der Mariahilfer Straße, die Wiental-Terasse oder die U5, in der öffentlichen Wahrnehmung einen höheren Stellenwert, erklärt er.
Bezirke zusammenlegen
Neben einer fairen Verteilung bei Bildungs-, Gesundheits- und Kultureinrichtungen, sieht Kommunalpolitik-Leiter der AK Wien Thomas Ritt, eine mögliche Lösung in der Zusammenlegung von Bezirken: "Entweder erhalten die jetzigen Bezirke unterschiedliche aufgabenorientierte Ressourcen und Rechte oder ein Neuzuschnitt der Bezirke schafft demokratischere Verwaltungseinheiten", fordert Ritt.
Weniger, aber dafür größere Bezirke würden laut Ritt zudem Sinn machen, wenn es um die Frage der Zuständigkeit geht. Sind laut Studie Wohnbau, Verkehrsplanung und Flächenwidmung theoretisch Sache der Stadtregierung, sieht es in der Praxis anders aus.
Zuletzt wurden Dezentralisierung und Aufgabenverteilung der Stadt Wien in der Dezentralisierungsnovelle 1998 beschlossen. Heute brauche es laut Andel "ein Zug in Richtung Zentralisierung - zumindest bei bestimmten Entscheidungen. Die Viertel- und die Grätzelebene müsste gleichzeitig gestärkt werden." Zudem brauche es in der Bezirkspolitik mehr hauptamtliche "Bezirksstadträte", die Bezirksvorsteher sollten mit klaren Kompetenzen ausgestattet werden und Bezirksvorsteher künftig mit einer Mehrheit gewählt werden.
Und dann wäre da noch die Sache mit dem Geld: Laut Studie erhalten einkommensschwache Bezirke wie Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring, Favoriten, Brigittenau oder Meidling weniger Budget pro Einwohner, verwendet wird dies für Projekte bei denen die Bezirke nur wenig Mitbestimmungsrecht haben. "Unser Befund ist, dass soziale Herausforderungen zu kurz kommen. Mehr als die Hälfte des Budgets wird für Allgemein bildende Pflichtschulen und Straßenbau verwendet, nur 1 Prozent für Kultur", so Andel.
Der AK-Vertreter empfiehlt eine Aufteilung des Budgets und der Aufgaben nach sozialen Besonderheiten des Bezirks. Regionen mit hohem Kinder- und Jugendanteil sollten Gelder für dementsprechende Projekte erhalten, ein Bezirk mit hohem Migrantenanteil bekommt Geld für migrantische Aufgaben, so der Wunsch der AK Wien.
Hoffnung auf Umsetzung
Am Freitag lädt die AK Wien die Klubleute, Bezirksvorsteher sowie Zivilbevölkerung und Experten ein, um die Studie und Forderungen vorzustellen. Dass es kein reibungsloses Aufeinandertreffen wird, ist Ritt klar: "Natürlich wird es Konflikte geben, aber es muss ein Diskussionsprozess angestoßen werden." Zufällig hat bereits am Mittwoch Finanzstadträtin Renate Brauner eine breit angelegte Verwaltungsreform angekündigt, bei der "alles gegen den Strich gebürstet werden" soll, wie sie sagte. Ob die Vorschläge der AK Wien mit einbezogen werden, wollte Ritt am Donnerstag nicht beantworten.