Benjamin Netanyahu kam, sah und siegte. Zwei Tage, nachdem er offiziell seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten angemeldet hatte, wurde der 51-Jährige von der Mehrzahl der 3.000 Delegierten auf dem Sonderparteitag des Likud-Blocks am Dienstagabend wie der neue Messias gefeiert.
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"Bibi", der seit Monaten auf einer Popularitätswelle schwimmt, obwohl er sich im vergangenen Jahr aus der Politik verabschiedet hatte, nahm die Huldigungen mit überlegenem Lächeln entgegen. Sara, die Frau an seiner Seite, die in Israel jahrelang für Negativschlagzeilen sorgte, hatte er diesmal zu Hause gelassen.
Die rechtsgerichtete Likud-Partei hat ihrem früheren Vorsitzenden verziehen. Sie machte bei allen Abstimmungen mit überwältigender Mehrheit deutlich, dass sie Netanyahu sowohl als nächsten Likud-Vorsitzenden und - natürlich - auch als neuen Premier sehen will. "Bibi" jubelte die Menge dem früheren Regierungschef zu, dem viele noch vor eineinhalb Jahren Verrat an der Partei vorgeworfen hatten. Im Mai 1999 hatte Netanyahu, der nach nur zweieinhalb Jahren im Amt von Ehud Barak geschlagen wurde, über Nacht alle Ämter niedergelegt. Seiner Partei hinterließ er einen politischen Scherbenhaufen. Er übergab das Zepter an Likud-Rechtsaußen Ariel Sharon, der nicht nur die geschrumpfte Fraktion wieder aufrichtete, sondern Barak durch eine kompromisslose Opposition zur Aufgabe zwang.
Doch Ariel Sharon, der bekanntlich auch Ministerpräsident werden will, hatte im Wettstreit gegen den "Magier der Medien", wie Netanyahu oft genannt wird, keine Chance. Obwohl er die Partei zuverlässig aus dem politischen Tief geführt hatte, erntete er jetzt wilde "Buh"-Rufe. Die Delegierten wussten, dass sie von Sharon bestenfalls einen knappen Sieg erwarten können. "Bibi" hingegen kann, wenn man jüngsten Umfragen trauen kann, Barak haushoch schlagen. "Man kann hier kein Mitgefühl erwarten," meinte später Sharons Sohn Omri. "Wer schlachtet, händigte zuvor keine Taschentücher aus."
Netanyahu hatte noch vor einer Woche erklärt, dass er sich in den 18 Monaten seiner Abwesenheit von der Politik geändert habe, dass er "weiser" geworden sei. Doch davon, so meinte Israels Tagespresse am Mittwoch übereinstimmend, sei auf dem Parteitag nichts zu spüren gewesen. "Das Einzige, was sich an Netanyahu geändert hat, ist die Farbe seines Haares," witzelte Baraks Arbeiterpartei.