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Bibis Worte, Amerikas Ohr

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Rede vor dem US-Kongress geriet zivil im Ton, aber hart in der Sache.


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New York/Washington D.C. Die Lady und der Komiker waren die letzten, die absagten. Am Montagabend, quasi im letzten Moment, gaben Elizabeth Warren und Al Franken bekannt, die am nächsten Morgen anstehende Rede des israelischen Premierministers vor dem US-Kongress zu schwänzen. Ihre Entscheidung begründeten die Senatorin von Massachusetts und der Senator von Minnesota mit "der Absicht John Boehners, die Rede in ein parteipolitisch motiviertes Spektakel zu verwandeln."

Sie taten es damit knapp über 50 ihrer Parteifreunde gleich, die schon in den Wochen zuvor angekündigt hatten, Benjamin Netanjahus Ansprache zu boykottieren. Als der um Punkt 11.10 Ortszeit vor den Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses und des Senats zu nämlicher anhob, fehlten so im Plenum ein paar der ranghöchsten Abgeordneten der Demokratischen Partei. Wer außerdem fehlte, waren Barack Obama und Joe Biden. Der Präsident hatte sich der Einladung mit dem Verweis auf den aktuellen Wahlkampf um die künftige Besetzung der Knesset entschlagen, auf den er keinen, auch keinen indirekten Einfluss nehmen wolle. Sein Vize befand sich im Ausland.

Plädoyer für härtere Sanktionen

Der vorläufige Endpunkt einer langen Liste von diplomatischen und politischen Verstimmungen, von der viele fürchten, dass sie die von jeher besondere Beziehung der Vereinigten Staaten mit Israel dauerhaft beschädigen könnte. Für seine Rede vor dem US-Kongress war im Vorfeld deshalb über folgende Strategie Netanjahus spekuliert worden: Nicht nur die republikanischen Kongressabgeordneten, die ohnehin auf seiner Seite sind, sondern auch die Demokraten von der Notwendigkeit der Aussetzung der derzeitigen Verhandlungen zu überzeugen und vom Beschluss neuer, noch härterer Sanktionen gegen den Iran. Weil der Präsident klar gemacht hat, dass er in diesem Fall sein Veto einlegen würde, bräuchte ein entsprechender Beschluss eine Zweidrittelmehrheit im Kongress: Unrealistisch, aber nicht undenkbar.

In der Realität, oben auf dem Rednerpult, erwies sich Netanjahu zunächst als geradezu diplomatisch. In der Sache blieb er trotzdem hart. Zuerst bedankte er sich bei Obama für die gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre. Dann ging es freilich ans Eingemachte. Anhand historischer Analogien argumentierte Israels Premier, dass es seit jeher im Allgemeinen, aber seit der Islamischen Revolution 1979 im Besonderen das prinzipielle Bestreben Irans sei, Israel zu zerstören; dass das Regime in Teheran und der Islamische Staat (IS) nur zwei Seiten derselben Medaille wären. Letzeren zu besiegen und gleichzeitig dem Iran zu erlauben, Atomwaffen herzustellen, hieße, "die Schlacht zu gewinnen, aber den Krieg zu verlieren."

Der vorliegende Plan der Obama-Administration sei nicht konsequent zu Ende gedacht, weil seine Haltbarkeit nur auf zehn Jahre angelegt sei und seine Repräsentanten die Tragweite eines Deals mit den Mullahs nicht begreifen würden. Von diesem sei deshalb unter allen Umständen abzusehen, und zwar "bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aggression Irans endet." Alles andere sei ein Risiko für die Existenz Israels.

"Verteidigen können wir uns auch selber, wenn wir alleine stehen sollten", warnte Netanjahu, aber: "Das wird aber nicht passieren, weil Amerika immer zu uns stehen wird." Während die Abgeordneten der Republikaner ausnahmslos alle Worte des Premiers lautstark bejubelten, hielten sich die der Demokraten bei den einschlägigen Passagen mit ihrem Applaus zurück. Wenn sie ob der teilweise extrem aggressiven Rhetorik Netanjahus nicht ohnehin ganz verstummten.

Kritik an Netanjahu hinter vorgehaltener Hand

Die Reaktionen auf den flammenden Appell, in Sachen Iran im Grunde erstmal alles so zu belassen, wie es ist, folgten auf dem Fuß. Die wichtigste von allen nicht öffentlich. Im Weißen Haus hielt man sich mit jeglichen offiziellen Kommentaren zurück. Wie eine Handvoll Medien, allen voran die "New York Times", aber in den Stunden nach dem Ende der Rede übereinstimmend berichteten, ließen die engsten Mitarbeiter Barack Obamas hinter den Kulissen kein gutes Haar an dem nicht akkordierten Auftritt:

"Irreführend und voller Widersprüche" sei Netanjahus Appell zum Verhandlungsabbruch ausgefallen. Seine Argumentationslinie sei laut einem hochrangigen Berater de facto einer Forderung nach einem "Regime Change" in Teheran gleichgekommen. Obama selbst soll die Rede nicht einmal bis zum Ende verfolgt haben.

Wer sich indes so öffentlich wie wortreich dazu äußerte, waren jene Republikaner, die den Demokraten bald im Präsidentenamt beerben wollen.

Jeb Bush, ehemaliger Governeur von Florida: "Ich bin froh über diesen Auftritt vor dem Kongress und die detailreiche Darlegung der Gefahren des iranischen Atomprograms. Es muss gestoppt werden." Rand Paul, libertärer Senator von Kentucky: "Es ist wichtig, zusammenzuarbeiten um einen nuklearen Iran zu verhindern und die Ausbreitung des radikalen Islam zu stoppen." Ted Cruz, rechtsradikaler Senator von Texas: "Um einen nuklearen Iran zu verhindern, müssen wir zusammen stehen!"

"Beleidigung der Intelligenz der USA"

Am mit Abstand emotionalsten fiel indes die Reaktion der Sprecherin der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus aus: "Als jemand, der die Beziehung zwischen den USA und Israel über alles schätzt, war ich während der Rede des Premierministers den Tränen nahe. Was mich so extrem traurig machte, war die Beleidung der Intelligenz der USA als Teil der internationalen Verhandlungsgruppe sowie die herablassende Art, was unser Wissen um die tatsächliche Gefahr durch den Iran angeht", schrieb Nancy Pelosi. Starker Tobak, der kaum zur Entspannung zwischen den Fronten beitragen dürfte.

Die USA verhandeln mit dem Iran über sein Programm zur Nutzung der Kernenergie, sehen darin nicht zuletzt die Chance, die äußerst volatile Region halbwegs zu stabilisieren. Die Mullahs betonen, dass sie einzig und allein an der zivilen Nutzung der Atomenergie interessiert sind und keine Bombe bauen wollen. Letzteres glaubt ihnen die Regierung Israels unter Netanjahu nicht und tut alles dafür, die Verhandlungen zu torpedieren.

Wahlkampf mit Sicherheitspolitik

"Den USA geht es in dieser Frage um Sicherheit. Für Israel geht es dabei ums Überleben", so erklärt Israels Premier die Ausgangslage. Die Tatsache, dass am 17. März in Israel Parlamentswahlen stattfinden und er dabei seinen Job loswerden könnte, verschärfen diese zusätzlich: Nachdem sich die innenpolitischen Erfolge seiner Regierung in engen Grenzen halten, setzt er im Wahlkampf voll auf die sicherheitspolitische Karte.

Erfunden haben die Idee mit Netanjahus Rede vor dem Kongress John Boehner, der Sprecher der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, und Ron Dermer, der israelische Botschafter in Washington. Letzterer ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Republikaner und wie sein Chef Netanjahu ein Hardliner, wenn es um sicherheitspolitische Fragen geht.

Im aktuellen Fall ging er sogar so weit, das diplomatische Protokoll zu ignorieren: Dermer zog es vor, das Weiße Haus außen vor zu lassen und die Modalitäten der Rede direkt mit Boehner und Mitch McConnell, dem Chef der Republikaner im Senat, zu verhandeln. Eingedenk der von Anfang an von Spannungen geprägten persönlichen Beziehung zwischen Obama und Netanjahu bildet dieser Bruch mit dem protokollarischen Usus nun den Höhepunkt einer fortschreitenden Entfremdung. Zutage trat die zuletzt im vergangenen Wahlkampf, als Netanjahu praktisch offen zur Wahl Mitt Romneys aufrief.

Auf der anderen Seite schlug sich im vergangenen Jahr eine Geschichte Bahn, die im Rest der Welt wenig Beachtung fand, in den politischen Zirkeln der USA aber als kleiner Skandal kategorisiert wurde. Ein bis heute namentlich nicht genannter hoher Berater Obamas hatte Netanjahu in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten wörtlich als "Chickenshit" bezeichnet: als Feigling, dem schlicht das staatsmännische Format fehle, im Nahen Osten einen dauerhaften Frieden zu schaffen und der das eigene politische Überleben über alles stellt.