Zum Hauptinhalt springen

Biblischer Badefreak

Von Johann Werfring

Wissen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hat das Jahr 2003 zum "Internationalen Jahr der Bibel" ausgerufen. Aus diesem Anlass findet zur Zeit im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek eine hoch beeindruckende Ausstellung statt. Aus den reichen Beständen der Bibliothek werden dabei mehr als fünfzig, vorwiegend mittelalterliche Codices präsentiert.

Eines der kostbarsten Ausstellungsstücke ist jene Bibelhandschrift, die um 1389/95 im Auftrag König Wenzels entstand. Bei dem als "Wenzelsbibel" bezeichneten Buch handelt es sich um die älteste original erhaltene Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache.

1361 geboren, war Wenzel bereits im zarten Alter von zwei Jahren zum böhmischen König gekrönt worden. Nach dem Tode seines Vaters, Kaiser Karls IV., wurde er 17jährig als Wenzel IV. Alleinherrscher des Königreichs Böhmen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er im Reich als römisch-deutscher König (hier als Wenzel I.) den Thron bestiegen.

Die Regierungszeit König Wenzels war überaus turbulent: Bald schon kam es zu inneren Spannungen im Reich, vor allem durch den Machtkampf zwischen den Städten und Fürsten. Aber auch die innerkirchlichen Zerwürfnisse machten dem Monarchen das Leben nicht gerade leicht. Die Auseinandersetzungen des Königs mit dem Prager Erzbischof gipfelten in der Ermordung des Generalvikars Johannes Nepomuk. Später wurde behauptet, Wenzel habe höchstpersönlich zur Pechfackel gegriffen, mit der er den Körper Johannes Nepomuks verbrannte, ehe dieser in der Moldau ertränkt wurde. Im Zuge der Ereignisse wurde Wenzel sogar von den Kurfürsten als römisch-deutscher König abgesetzt. Dies alles und die fortgesetzte Polemik seitens der katholischen Kirche führte dazu, dass der Herrscher der Nachwelt als eine Person mit äußerst nachteilhaften Wesenszügen präsentiert wurde. Als "unfähig", "grausam" und "gewalttätig" wurde er jahrhundertelang in den Geschichtsbüchern hingestellt; zudem erhielt er den wenig schmeichelhaften Beinamen "der Faule" verpasst. Erst in jüngster Zeit ist die Historiographie bemüht, die Zusammenhänge differenzierter zu beschreiben.

Unbestritten war indes schon immer die stimulierende Wirkung, die Wenzel auf dem Gebiet der Buchkunst ausübte. Nachdem schon sein Vater Karl IV. den Aufbau einer ansehnlichen Hofbibliothek forciert hatte, bemühte sich auch Wenzel um die Verpflichtung einer Reihe von Buchkünstlern zur Herstellung eigener Codices. Auffallender Weise zieht sich durch all die Werke, die Wenzel in Auftrag gab, ein Motiv, das auch in der Wenzelsbibel besonders augenfällig ist: Und zwar ist der König immer wieder als Badender dargestellt respektive wird er von Bademägden umringt, die ihn liebevoll umsorgen und zum Teil außerordentlich erotisch realisiert sind. Als Randschmuck der hier abgebildeten Initial-Miniatur erscheint eine Bademagd mit einem Zuber und Badequast, umgürtet mit einem blauen Liebesknoten. In der Hand trägt sie eine Schleife mit der alt-tschechischen Aufschrift "toho bzde toho". Es war dies die königliche Devise, zu übersetzen mit "dieser (gehört) immer dieser", was auch rückwärts gelesen werden kann und so viel bedeutet wie "der König gehört immer dem Volk (und umgekehrt)". Unsere zweite Abbildung zeigt Wenzel ganz und gar unköniglich nackt, wie er von zwei anmutigen Bademägden gehegt wird.

Wenngleich die Symbole nicht eindeutig zu entschlüsseln sind, vermuten Kunsthistoriker, dass dieses Motiv auf die rituelle Reinigung der Könige verweist. Bereits Adam sei - vor seiner Verstoßung aus dem Paradies - von Gott als König eingesetzt worden. Die Waschung im Falle Wenzels sei sohin als Befreiung von der Sünde zu interpretieren.

Bemerkenswerter Weise hat sich auch eine Legende aus dem Leben Wenzels erhalten, die mit einer Bademagd im Zusammenhang steht: Als dieser 1394 infolge der Wirren um die Ermordung Johannes Nepomuks gefangen gesetzt wurde, habe ihm die hübsche Bademagd Susanne zur Flucht verholfen. "Zum Dank" habe der König anschließend mit ihr sein Lager geteilt.

Dass dem mittelalterlichen Bad etwas Frivoles anhaftete, ist weithin bekannt. Die genauen Ursachen für die vielfachen Darstellungen des badenden Wenzels und seiner Bademägde (auch in anderen Büchern) sind heute zwar nicht mehr zu eruieren, aber sie offenbaren, dass Wenzel sich in besonderem Maße zu hübschen Damen hingezogen fühlte. Dies, obgleich er in zweiter Ehe mit einer Frau verheiratet war, die von den Chronisten als äußerst bewunderungswürdig beschrieben wurde und den Beinamen "schöne Offnei" trug. Die aufreizenden Illustrationen in der Wenzelsbibel wird "die schöne Offnei" wohl mit gemischten Gefühlen betrachtet haben . . .

*

IM ANFANG WAR DAS WORT. Glanz und Pracht illuminierter Bibeln. Ausstellung im Prunksaal der Österr. Nationalbibliothek (noch bis 6. Jänner). 1010 Wien, Josefsplatz 1, tägl. 10-14, Do. bis 19 Uhr, Tel. 534-10/464.