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Biden vs. Trump: Schweigen statt Schreien

Von Konstanze Walther

Politik

Das soll keine Brutalität mehr sein: Bei der letzten TV-Debatte vor der Wahl zwischen Donald Trump und Joe Biden werden die Mikrofone teilweise stummgeschaltet. Anders ist eine Wahrung der Disziplin im Jahr 2020 in der USA nicht möglich.


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Im Kampfsport mit Körperkontakt sind die Kontrahenten im Regelfall diszipliniert genug, um bei Abpfiff wieder in ihre Ecken zu gehen. Zumindest in Wettkampfsituationen, wenn die Kameras auf sie gerichtet sind.

In TV-Debatten, wenn zwei Männer mit Hemd und Krawatte gegeneinander anreden, reicht das Abpfeifen nicht mehr. Bei dem TV-Duell am Donnerstagabend werden in einer in diesen Sphären so noch nie dagewesenen Disziplinarmaßnahme die Kandidaten stummgeschaltet. Zwei Minuten haben sie jeweils, um auf Fragen zu antworten. Dann müssen sie den andern ausreden lassen. So ein Schritt war notwendig geworden, nachdem das erste - und bisher einzige - TV-Duell zwischen Amtsinhaber Donald Trump und Herausforderer Joe Biden in ein präpubertäres Gezänke ausgeartet ist. Der einzige Unterschied dabei: Während Kinder dazu neigen, die Eltern des Kontrahenten blöd zu heißen, wurden in diesem Fall die Kinder der Kontrahenten blöd genannt. Wenn auch mit anderen Worten.

Trotzdem wird auch am Donnerstag der Schreifaktor mit Unterbrechungen nicht zu kurz kommen: Denn für jedes Thema sind 15 Minuten veranschlagt, da bleibt genug Zeit, auch wenn beide garantiert zwei Minuten ungestört reden dürfen. Ob ein auf stumm geschaltetes Mikrofon reicht, um Trump zum Schweigen zu bringen, steht auf einem anderen Blatt.

Was definitiv nicht stumm geschalten sein wird, ist die Körpersprache, wenngleich die Auswüchse der non-verbalen Kommunikation ein paar Corona-Abstandsregeln einhalten müssen. Zur Erinnerung: Donald Trump verfolgte Hillary Clinton vor vier Jahren wie ein bedrohlicher Schatten auf der Bühne, während sie über ihr Programm geredet hatte.

Dass die Nerven am Donnerstag blanker liegen als zuvor, dürfte auch für einen unvorhersehbaren Aggressionspegel sorgen. In weniger als zwei Wochen ist die Wahl, Biden liegt laut einer bundesweiten Umfrage der "New York Times" mit neun Prozentpunkten vor Trump - die potenzielle Fehlermarge liegt bei 3,4 Prozentpunkten.

Aber Achtung: Auch Hillary Clinton lag zur selben Zeit im Oktober 2016 sieben Prozentpunkte vor Trump - und alle Experten waren sich einig, dass die ehemalige Außenministerin damals alle drei TV-Duelle für sich entschieden hat.

Biden gewinnt auch bei Wirtschaftsfragen dazu

Trotzdem sind Umfragen das einzige, was man vor einer Wahl hat. Und nun, wenn man die Wähler befragt, welchem Kandidat sie eher Krisenmanagement zutrauen, führt Biden haushoch bei den Themengebieten Coronavirus (12 Prozentpunkte), Law and Order (sechs Prozentpunkte) und der Nachbesetzung am Obersten Gerichtshof (ebenso sechs Prozentpunkte). Biden führt sogar fast 20 Punkte vor Trump, befragt man die Amerikaner, wer das Land wieder einen kann. Und, besonders schlimm für Trump: Sogar in Wirtschaftsfragen, bisher eigentlich das PR-Steckenpferd des US-Präsidenten, sind die befragten Bürger inzwischen zu 50 Prozent der Meinung, dass Biden bessere Arbeit verrichten würde. Dabei konnte gerade Trump lange bei der US-Wirtschaft noch seine Wählerschaft erreichen und, glaubt man Umfragen, die Wirtschaft ist für viele der Hauptgrund gewesen, überhaupt Trump zu wählen.

Die Umfrage zeigt aber auch, wie sehr Trump bei seinen potenziellen Wählern verliert: Schon 56 Prozent der Frauen lehnen Trump ab; weiße Amerikaner mit College-Abschluss lehnen immerhin zu 53 Prozent Trump ab.

Und nun hat Trump auch im Streit über die Stimmabgabe per Brief bei der US-Wahl eine juristische Niederlage erlitten. Der Antrag der Republikaner gegen eine verlängerte Frist bei der Auszählung von Wahlunterlagen im Swing State Pennsylvania kam wegen eines Unentschiedens von 4:4 Stimmen unter den Richtern am Supreme Court in Washington am Montag (Ortszeit) nicht durch. Die Republikaner hatten damit einen entsprechenden Beschluss des Obersten Gerichts in Pennsylvania rückgängig machen wollen, nach dem Unterlagen mit korrektem Poststempel noch drei Tage nach dem eigentlichen Wahltermin gezählt werden müssen - also bis zum 6. November. Die Republikaner befürchten, dass sich vor allem Demokraten unter den Briefwählern befinden. Die Briefwahl ist dieses Jahr wegen der Pandemie besonders attraktiv - wiewohl sich Trump bemüht, sie mit Wahlbetrug gleichzusetzen.

Dass Trump nicht zuletzt die Corona-Pandemie für seine Umfragewerte verantwortlich macht, zeigt sich daran, dass er gegenüber seinem Wahlkampfteam den Chef-Virologen Anthony Fauci untergriffig attackiert hat. Trump erklärte dabei, dass die Bevölkerung es müde sei, von Covid-19 zu hören. "Die Menschen haben es satt, von Fauci und all diesen Idioten zu hören."