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Biden - wer hoffen darf, wer bangen muss

Von Klaus Huhold, Michael Schmölzer und Ronald Schönhuber

Politik

Der "President elect" will international völlig andere Akzente setzen als sein Vorgänger. Es zeichnet sich schon ab, wer die Gewinner und Verlierer seiner Präsidentschaft sein werden.


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Donald Trump hat es international seinen Partnern nicht leicht gemacht. Zunächst stellte der abgewählte US-Präsident die Sinnhaftigkeit der Nato in Frage, dann wollte er durchsetzen, dass die mexikanische Regierung die Mauer an ihrer Grenze selbst zahlt. Er kündigte den Atomdeal mit dem Iran auf und das Klimaabkommen. Sein Nachfolger Joe Biden wird hier anders agieren. Doch wer auf der Weltbühne darf sich künftig zu den Siegern zählen und wer muss mit kräftigem Gegenwind aus Washington rechnen?

Nach "zerstörerischen" Jahren: Europa darf hoffen

Mit Joe Biden sollte sich für Europa vieles zum Besseren wenden, auch wenn Experten vor allzu hohen Erwartungen warnen: Klar ist, dass sich Biden im Gegenteil zu Trump zur internationalen Zusammenarbeit bekennt und der Europäischen Union positiv gegenübersteht. Der Umgang miteinander wird wertschätzender werden - und das zählt viel in der Diplomatie, wo die Faustregel, dass der Ton die Musik macht, besonders gilt.

Vor allem dürfte die Zeit der Unberechenbarkeit, der Sprunghaftigkeit in der US-Außenpolitik vorbei sein. Biden gilt als verlässlich, hier weiß man, woran man ist. Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht von "zerstörerischen letzten vier Jahren" und blickt optimistisch in die Zukunft.

Und sonst? Biden wird wie Trump die Europäer mit der Forderung konfrontieren, dass sie mehr in das Nato-Budget einzahlen sollen, die Kritik an der Ostsee-Pipeline North Stream 2 wird auch der neue Mann im Weißen Haus aufrechterhalten. Auch handelspolitisch wird es in Zukunft zwischen den USA und der EU nicht friktionsfrei ablaufen. Europa hat schon jetzt neue Strafzölle auf US-Exporte verhängt.

Brexit-Gegenwind für Boris Johnson

Mit Gegenwind muss jedenfalls der britische Premier Boris Johnson rechnen, der seine Vorstellung vom Brexit über die Bühne bringen will. Biden ist, anders als Trump, kein Freund dieser Abspaltung. Er spricht oft über seine irischen Wurzeln, hat eine starke Beziehung zu der Grünen Insel und gilt als Verteidiger des Karfreitagsabkommens. Sollte das durch Johnsons Brexit in Gefahr kommen, hätten die Iren in Biden einen starken Verbündeten.

 Kein Verständnis für Russland <p>Russland stellt sich inzwischen darauf ein, China an der Spitze der Liste der Gegner in den USA abzulösen. Biden hatte im Wahlkampf immer wieder Trumps Schmusekurs mit Kremlchef Wladimir Putin kritisiert. Bei einer TV-Debatte mit Trump vor der Wahl sagte Biden über den Amtsinhaber: "Er ist Putins Welpe."

Neue Chance für Atomdealmit dem Iran

Bidens Wahlsieg sorgt vor allem in einem Land - dem Iran - für Aufatmen. Teheran wurde von Trump zum Feind der USA und zum weltweiten Terrorpaten Nummer eins erkoren - diese Linie wird Biden so strikt nicht weiter verfolgen. Der designierte neue Präsident hat bereits eine Rückkehr der USA zum Atomabkommen in Aussicht gestellt, wenn der Iran seine Verpflichtungen wieder einhalte.

Saudische Ölscheichs auf der Verliererseite

Zudem wird sich die Haltung Washingtons gegenüber Saudi-Arabien ändern. Trump war ein wichtiger Verbündeter der Ölscheichs, Biden hat bereits angekündigt, hier einen härteren Kurs fahren zu wollen. Und ein Ende der Waffenverkäufe in Aussicht gestellt. Riad werde zudem für die Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi "einen Preis bezahlen" und zum "Außenseiter" werden, so Biden vor einem Jahr.

Ende des "Freispiels" für Benjamin Netanjahu

Trump versagte Premier Benjamin Netanjahu kaum einen Wunsch. So erkannte etwa Washington - völkerrechtswidrig - Jerusalem als Hauptstadt Israels an. Mit den Palästinensern wollte die Trump-Administration kaum in Kontakt kommen. Das wird es unter Biden nicht mehr geben. Netanjahu kann aber auch weiterhin mit dem Wohlwollen seines wichtigsten Verbündeten rechnen.

China könnte stärker in Bedrängnis kommen

Auf den ersten Blick wirkt China wie ein Gewinner eines Machtwechsels im Präsidentenamt der USA. Trump hat China frontal angegriffen und einen Handelskrieg mit der Volksrepublik vom Zaun gebrochen. Auf den zweiten Blick könnte unter Biden aber auch vieles unangenehmer für Peking werden, und es ist kein Zufall, dass aus China noch kein Wort kam, während europäische Staatschefs Biden bereits als "President elect" gratulierten.

Zwar wird Biden rhetorisch niemals so scharf gegen die Volksrepublik schießen wie Trump. Aber auch die Demokraten sind überzeugt, dass die aufstrebende Supermacht China der größte Rivale der USA ist - und sie werden dabei geopolitisch einen umfassenderen Ansatz verfolgen als die Republikaner.

Mit seiner "America First"-Doktrin hat Trump nämlich auch viele US-Verbündete vor den Kopf gestoßen. Er wollte, dass Japan und Südkorea für die Präsenz der US-Truppen kräftig zahlen, und er hat sich aus Handelsabkommen mit Staaten in der Pazifikregion zurückgezogen, die die Obama-Administration genau deshalb abgeschlossen hat, um Chinas Einfluss einzudämmen. Biden wird auf diese Verbündeten wieder zugehen - und so auch wirtschaftlich in dieser Region wieder stärker als Chinas Konkurrent auftreten. Und militärisch meinte bereits die Biden-Beraterin Michèle Flournoy, dass die USA weiterhin in der Lage sein sollten, sämtliche chinesische Schiffe im Südchinesischen Meer innerhalb von 72 Stunden zu versenken.

Auch im Bereich Menschenrechte hat das Biden-Team bereits klare Worte gefunden. So hat es etwa die Verfolgung der moslemischen Minderheit der Uiguren, von denen laut Menschenrechtsorganisationen etwa eine Million Mitglieder in Umerziehungslager gesteckt wurden, als "Genozid" bezeichnet.

Aber bei aller Konfrontation mit China gilt: Die USA werden auch zu Zugeständnissen bereit sein, weil viele internationale Fragen ohne Peking nicht mehr lösbar sind.

In der Nordkorea-Politik ist guter Rat teuer

Dass man China braucht, gilt zum Beispiel in der Nordkorea-Politik, weil Peking der Bündnispartner von Diktator Kim Jong-un ist. Diesen hat ja Trump zunächst als "Little Rocket Man" verhöhnt, später fand dann eine Annäherung statt, die in Gipfeltreffen mündete. Trump ist es damit zumindest gelungen, die hochexplosive Lage auf der koreanischen Halbinsel zu beruhigen.

Ob die Demokraten den Trumpschen Ansatz der Annäherung weiter verfolgen werden oder wieder stärker auf Druck und Sanktionen setzen, steht noch in den Sternen. Auf alle Fälle ist in der Korea-Politik guter Rat teuer: Wie der Westen auch agierte, Nordkoreas Regime hat an seinem Atomwaffenprogramm festgehalten.

In der Klimapolitik wird ein Unfall repariert

Am 31. Mai 2017 ereignete sich der größte anzunehmende Unfall in der internationalen Klimadiplomatie. Im Rosengarten des Weißen Hauses verkündete Präsident Trump damals den Ausstieg der USA aus dem historischen Pariser Klimaschutzabkommen und versprach, die Kohle und andere fossile Energieträger wieder groß zu machen. Damit hatte sich nicht nur der zweitgrößte Treibhausgasverursacher nach China aus dem Spiel genommen, mit den USA zog sich auch ein Land zurück, das bei einem klaren Bekenntnis zu mehr Klimaschutz ein globales Vorbild hätte sein können.

Wenn Joe Biden nun ins Weiße Haus einzieht, so will er bereits am ersten Tag seiner Amtszeit wieder dem Pariser Abkommen beitreten. Dafür will der neue Präsident die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren und stattdessen stärker auf erneuerbare Energien setzen.

Zwei Billionen Dollar sollen in den kommenden vier Jahren fließen, um Häuser besser zu dämmen, den Bus- und Bahnverkehr auszubauen und die Umstellung des Autoverkehrs auf Strom voranzutreiben. Bis spätestens 2050 soll die US-Wirtschaft dann klimaneutral sein. Biden ambitioniertes Klimaprogramm, das wohl ein entscheidendes Signal für die internationale Gemeinschaft wäre, wird sich aber nicht einfach umsetzen lassen. So musste schon Barack Obama wegen der Obstruktionspolitik im Senat auf präsidentielle Verfügungen zurückgreifen, um seine Klimainitiativen halbwegs durchzubringen.