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Bidens "Killer"-Strategie

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

US-Präsident Joe Biden nennt Wladimir Putin einen "Killer". Was bezweckt er damit?


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US-Präsident Joe Biden ist dabei, die Außenpolitik seines erratischen Vorgängers neu auszurichten. Arg verkürzt könnte man sie nun so zusammenfassen: nett, aber fordernd gegenüber den Verbündeten, hart und schroff im Umgang mit den Gegnern.

Gegen China versucht Biden, ein umfassendes Bündnis zu schmieden. Er wirft dem kommunistischen Regime in Peking einen Genozid an der muslimischen Minderheit der Uiguren und etliches mehr vor, bewahrt dabei aber zumindest im persönlichen Umgang mit Präsident Xi Jinping die Regeln des diplomatischen Umgangs.

Bei der Neuausrichtung der Beziehungen zum engen US-Verbündeten Saudi-Arabien hat der neue Präsident es vorerst bei einer symbolischen Degradierung des Kronprinzen belassen, der bei der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi Regie führte.

Nun hat sich Biden Russland zugewandt. Für dessen Versuche, nach den US-Wahlen 2016 auch jene des Jahres 2020 zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen, werde Präsident Wladimir Putin "einen Preis bezahlen", erklärte Biden. Doch bei dieser vagen Botschaft beließ er es nicht: Die Frage, ob er Putin für einen "Killer" halte, beantwortete Biden mit einem unzweideutigen Ja.

Was bezweckt der US-Präsident mit diesem ungewöhnlichen Frontalangriff auf Putin persönlich? Immerhin gibt es ein weites Feld - von Rüstungskontrolle, der Stabilität in den Pufferstaaten Osteuropas und Zentralasiens über den Nuklearstreit mit dem Iran und eine Lösung für Syrien bis zu Fragen der globalen Energie- und Rohstoffversorgung -, wo Washington und Moskau nicht nur einander gegenüberstehen, sondern auch zur Zusammenarbeit verurteilt sind.

Vorrangiges Ziel der neuen US-Regierung dürfte es sein, dem gnadenlosen Realpolitiker Putin deutlich zu machen, dass sein Verhalten - anders als noch unter Trump - nun konkrete Folgen haben wird. Falls also der Kreml demnächst wieder einen Kritiker vergiftet, Hackerangriffe gegen den Westen lanciert oder Pufferstaaten drangsalieren sollte, wären die USA entschlossen, auch gegen das engere Umfeld des russischen Präsidenten und, wenn nötig, auch gegen diesen persönlich vorzugehen.

Bidens Frontalangriff ist ein Versuch der Einhegung eines Langzeitherrschers, der gelernt hat, jede Schwäche seiner Gegner für sich selbst zu nutzen. Und ein Versuchsballon, ob sich durch einen harten außenpolitischen Kurs innenpolitischer Spielraum gewinnen lässt. Härte gegen Russland und China gehört eigentlich zur DNA der Republikaner. Für weite Teile seiner Reformpläne muss Biden versuchen, die Front der Trump-Partei gegen sich aufzuweichen.