Diesen Samstag findet in der Slowakei der erste Durchgang der Präsidentschaftswahlen statt. Favorit ist Außenminister Eduard Kukan, sein schärfster Konkurrent der Populist und Ex-Premier Vladimir Meciar. Wahlentscheidend könnte sein, ob die Slowaken der derzeitigen Regierung Dzurinda einen Denkzettel verpassen wollen und dafür einen skandalumwitterten EU-Skeptiker als Staatsoberhaupt in Kauf nehmen.
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Im nordslowakischen Zilina ist Wahlkampf. Und Wahlkampf ist stets Ausnahmezustand - da muss sich selbst der Berufsdiplomat volksnah geben. Entschlossen betritt daher Eduard Kukan die Bahn des örtlichen Kegelclubs, stellt das Krügel ab und greift nach der Kugel. Ein prüfender Blick, ein Anlauf: fast alle neune, aber eben nur fast. Das Publikum applaudiert trotzdem. Und weil Geselligkeit durstig macht, stellt sich Kukan auch an den Zapfhahn und schenkt höchstpersönlich Bier aus.
Vier der insgesamt elf Kandidaten zur slowakischen Präsidentschaftswahl haben noch einigermaßen intakte Chancen, am Samstag den Sprung in die Stichwahl zu schaffen. Laut der letzter Umfrage gelten jedoch Eduard Kukan und der frühere Premier Vladimir Meciar als eindeutige Favoriten. Bei rund 27 Prozent hält der tendenziell proeuropäische Kukan, bei 24 Prozent der EU-skeptische Meciar. Sowohl Ivan Gasparovic, der von der starken links-populistischen Smer-Bewegung unterstützt wird, als auch der amtierende Präsident Rudolf Schuster scheinen hingegen mit siebzehn bzw. dreizehn Prozent die Außenseiterrolle übernommen zu haben. Drei Tage vor der Wahl ist allerdings auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts MVK publiziert worden, die Gasparovic doch knapp vor Meciar auf dem zweiten Platz und somit in der Stichwahl sieht.
Doch so oder so - ein allzu aufregendes Feld ist es nicht, das da zur Wahl antritt: Auf der einen Seite der biedere Diplomat und Minister Eduard Kukan, auf der anderen Seite mit Meciar und Gasparovic zwei Populisten reinsten Wassers. Und als Draufgabe der amtierende Präsident Rudolf Schuster, der die Sympathie der Bevölkerung im Laufe seiner Amtszeit gründlich verspielte - nicht zuletzt durch eine kaum verständliche Obstruktionspolitik gegenüber dem Parlament. Die Rolle eines aktiven Präsidenten reduzierte Schuster darauf, diversen Gesetzesvorschlägen möglichst lange seine Unterschrift zu verweigern.
Verzweifelte Aufholjagd
Verzweifelt und nicht immer mit sauberen Mitteln versuchte Schuster in den letzen Wochen den verlorenen Boden aufzuholen: Obwohl der offizielle Wahlkampf erst am 19. März begann, reiste der Präsident schon vorher durch die Städte und Dörfer der Slowakei, um "Treffen mit den Bürgern" abzuhalten - nicht als Kandidat freilich, sondern als amtierender Präsident. Eine dezidiert als Wahlkampf deklarierte Kampagne führte er nicht. "Dazu hat der Präsident aufgrund seiner Pflichten als Staatsoberhaupt ja auch gar keine Zeit", erklärt Schusters Sprecher Jan Füle. Die unabhängige Bürgerrechtsgruppe Memo 98, sieht das anders. Sie wirft Schuster Vermischung von Amtsgeschäften und Wahlwerbung vor und fühlt sich fatal an den letzten Wahlkampf von Russlands Präsident Wladimir Putin erinnert. Der Unterschied zu Russland ist allerdings: Schuster wird die Vermischung von Amtsgeschäften und Wahlwerbung wohl kaum die Wiederwahl bringen.
Das Hauptproblem für den Favoriten Kukan wiederum ist die Tatsache, dass er als Kandidat einer Regierungskoalition ins Rennen geht, die wegen ihres strengen neoliberalen Wirtschaftsprogramms inzwischen reichlich unbeliebt ist. In der Ostslowakei liegt die Arbeitslosenrate mittlerweile bei 21 Prozent. Achtzig Prozent der Slowaken geben dem Kabinett von Mikulas Dzurinda die Schuld an der Verschlechterung der sozialen Lage im Land. Bei ihrem Amtsantritt hatte Dzurindas Koalition 78 von 150 Mandaten im Parlament, würde an diesem Wochenende ein neues Parlament gewählt, kämen die Regierungsparteien nach einer Umfrage des Slowakischen Rundfunks gerade noch auf 54 Mandate.
Test für Regierung
Die Präsidentenwahl ist letzten Endes auch ein Test dafür, wie sehr die Mitte-Rechts- Regierungskoalition noch im Stande ist, ihre Wählerschaft bei der Stange zu halten. Denn nicht nur die Wahl Kukans steht an - zeitgleich mit den Präsidentenwahlen findet auch ein Referendum über vorgezogene Parlamentswahlen statt. Hat es Erfolg, dürften die Tage der Koalition gezählt sein.
Während der Ausgang des Referendums kaum vorhersehbar ist, sind die Weichen für die zweite Runde der Präsidentenwahl bereits gestellt. Denn egal, wer in der Stichwahl dem amtierenden Außenminister Eduard Kukan gegenüberstehen wird, Meciar oder doch sein langjähriger Weggefährte Ivan Gasparovic - die Frage, die die Slowaken dann zu beantworten haben werden, ist die gleiche: Was ist uns mehr wert? Ein Denkzettel für die Regierung, dafür aber ein Präsident mit autoritären Zügen, der dem Land international mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder negative Schlagzeilen bringt? Oder ein Berufsdiplomat, der zwar Teil der ungeliebten Koalition ist, der aber wenigstens keinen Schaden anrichtet?