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Bienenschädling vor EU-Portalen?

Von Silke Farmer

Wissen

Experten trafen sich in Wien. | Fremde Pflanzen und Tiere weltweit im Vormarsch. | Wien . "Wir haben ein Problem." Mit diesen Worten hat Jeffrey McNeely, Wissenschaftsbeauftragter der Weltnaturschutzorganisation IUCN, vor kurzem in Wien einen Kongress über Einwanderer der ganz besonderen Art eröffnet.


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Konkret ging es um die Ausbreitung von nicht-heimischen Tier- und Pflanzenarten, sogenannter Neobiota. Das sind Arten, die erst nach dem Jahr 1492 unter direkter oder indirekter Mithilfe des Menschen in eine Region gelangt sind.

Einige dieser nach Europa gekommenen Arten stellen zwar für die heimische Fauna und Flora keine Bedrohung dar, weil sie sich nicht längerfristig etablieren können. Andere haben aber nachweislich einen schädigenden Einfluss: Nach der Zerstörung der Lebensräume ist die Einbürgerung fremder Spezies die größte Bedrohung für die biologische Artenvielfalt.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht stellen Neobiota ein großes Problem dar: Allein in den USA verursacht die biologische Invasion gebietsfremder Arten Kosten von über 100 Milliarden Dollar jährlich. Für Europa insgesamt existieren derzeit keine verlässlichen Zahlen, jedoch gibt es auch in der Alten Welt eine Menge an Tier- und Pflanzenarten, die großen ökonomischen Schaden anrichten.

Was einst die Reblaus für die Winzerei und der Kartoffelkäfer für die Landwirtschaft war, bedeutete die Varroamilbe noch bis vor kurzem für die Imkerei. Anfang der 70er Jahre wurde die Milbe aus Asien eingeschleppt. Die Folgen waren auch in Österreich verheerend: "Vor allem in den Jahren der Erstinvasion gab es große Verluste. In manchen Gebieten ging die Hälfte der Bienenvölker zugrunde", sagt der Präsident des Österreichischen Imkerbundes, Josef Ulz. Europaweit gibt es Jahr für Jahr Einbußen von zehn bis 30 Prozent der Bienenvölker.

Varroamilbe im

Vergleich harmlos

Doch nun bedrohen neue Eindringlinge die heimischen Honigbienen und "dagegen ist die Varroamilbe geradezu harmlos", so zitiert der Grazer Zoologe Gerald Kastberger betroffene Großimker in den USA. Seit einigen Jahren beschäftigt den Wissenschafter die explosionsartige Ausbreitung des Afrikanischen Kleinen Stockkäfers ( Aethina tumida ), eines anderen Parasiten der Honigbiene.

Der ursprüngliche Lebensraum dieses Schädlings ist Afrika - südwärts der Sahara. Die dort beheimateten Unterarten der Westlichen Honigbiene werden vom Afrikanischen Kleinen Stockkäfer zwar parasitiert, aber nicht in ihrer Existenz bedroht. Die afrikanischen Bienen hätten offenbar im Laufe der Zeit gelernt, mit dem Parasiten zu leben: "Sie attackieren die Eindringlinge heftig, können aber auch gut mit ein paar hundert Käfern im Stock zurecht kommen. Wird es ihnen zuviel, zieht das Volk aus dem Stock aus und sucht sich ein neues Quartier", so Kastberger.

Die europäischen Unterarten der Honigbiene dagegen konnten sich im Laufe der Evolution nicht an den Schädling anpassen - das mussten sie bisher auch nicht. Mit dem Jahr 1996 hat sich die Situation allerdings gründlich geändert: Vermutlich gelangte der Käfer in verseuchtem Importobst per Containerschiff auf den amerikanischen Kontinent. Seitdem breitet er sich in Nordamerika, insbesondere im Südosten der USA, ungehindert aus.

Abertausende Bienenvölker sind bereits zugrunde gegangen, denn die vor Jahrhunderten in die USA exportierten europäischen Bienenvölker können sich nicht gegen den Käfer zur Wehr setzen. Innerhalb von Monaten kollabieren die befallenen Bienenstöcke. Bis jetzt gibt es noch kein Gegenmittel und so breitet sich der Parasit weiter aus.

Im Jahr 2003 wurde er durch Wachsexporte nach Kanada gebracht, parallel dazu ist er in Ägypten und Australien aufgetaucht. Überall, wo er hinkommt, insbesondere in subtropischen Regionen, bedroht er die Honigproduktion. Nur liegt der ökonomische Wert der Honigbienen nicht allein in der Honigproduktion, sondern auch in ihrer Funktion als Bestäuber von Pflanzen wie Gemüse und Obst. Internationale Schätzungen gehen davon aus, dass der Bestäubungswert das zehn- bis 20-fache des Honigwerts beträgt. In Österreich ist das ein ökonomischer Wert von bis zu 800 Millionen Euro im Jahr.

Mittlerweile ist der Bienenschädling auch in Europa angekommen: Im Oktober 2004 wurde er erstmals in Portugal nachgewiesen - eingeschleppt durch Bienenimporte aus Texas. Die EU hat daraufhin sofort eine Importsperre für lebende Bienen aus Übersee erlassen. Auch aus anderen Regionen, wo der Käfer nachgewiesen wurde, ist die Einfuhr nun erschwert.

Situation in Europa

wirklich im Griff?

Europa scheint die Situation im Griff zu haben. Ob es sich wirklich verhindern lässt, dass sich der Parasit seinen Weg nach Europa bahnt, bleibt ungewiss. "Wichtig ist, dass man dann gewappnet ist und nicht wie bei der Varroa bei Stunde Null beginnt", so Ulz.

Deswegen hat Kastberger zusammen mit dem Österreichischen Imkerbund und der Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) einen Film über den Parasiten gedreht. Denn für ihn sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Afrikanische Kleine Stockkäfer endgültig in Europa verbreitet. Der intensive Welthandel von Bienenprodukten öffne dafür Tür und Tor.