Ein Wissenschaftspreis und ein Internationales Symposium lassen die Brauereiwirtschaft wieder einmal jubeln: Bier schützt vor Krebs. Ist das aber wirklich so? Würde die Behauptung stimmen, wäre die Erklärung für die Zunahme von Krebserkrankungen genial einfach: Die jährlich rund 130 Liter Bier pro Kopf in Deutschland - und schon gar die 107 l der Österreicher, aber selbst die 157 l der Tschechen, die damit beim Bierkonsum weltweit an der Spitze liegen - sind einfach zu wenig. Das entbehrt natürlich jeglicher Grundlage, da jeder Konsum alkoholischer Getränke mehrere Gesichter hat.
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Unbestritten wirken die Getränke in Maßen genossen stimulierend, anregend und mitunter beruhigend und gesundheitlich positive Effekte sind in der Tat für einige Inhaltsstoffe nachgewiesen. Dafür aber schaden selbst kleinste Alkoholmengen dem Gehirn, wie im August das Team um den Erlanger Psychiater Prof. Johannes Kornhuber zeigte. Auf Dauer lasse auch ein geringer aber regelmäßiger Alkoholkonsum das Gehirn nachweisbar schrumpfen, fanden die Forscher heraus.
Großes Lob in Wien
Die Erlanger sind doch bloß Miesmacher, werden eingefleischte Biertrinker nun einwenden. Recht so, hatte doch erst im Juni Kornhubers österreichischer Fachkollege Prof. Manfred Walzl beim internationalen Symposium "Bier & Gesundheit" in Wien die Vorteile eines mäßigen Bierkonsums gerühmt: Reduzierung des Risikos für Herzgefäßerkrankungen, Demenz und Nierenprobleme. "Aus gesellschaftspolitischer Sicht ist der geringe Alkoholgehalt des Bieres ideal, um Unfälle durch Alkohol am Steuer zu verringern", wurde Walzl gar in der Juli-Ausgabe der Brauer-Zeitschrift "Bier & Getränke" zitiert. Schon früher hatte er dem Verband der Brauereien Österreichs bestätigt: "Regelmäßiger Bierkonsum in Maßen kann Blasen-, Prostata-, Magen- und Lungenkrebs vorbeugen".
Halten wir also fest: Wer mit Bierkonsum Krebs vorbeugen will, bezahlt das am Ende mit Verwirrung, Blödheit und Schwachsinn. Ernsthaft kann das doch aber niemand wollen, oder doch? - Klar, die Amerikaner. Dort sei, so Walzl, das erste "Anti-Krebs-Bier" bereits zugelassen. Auch im Erfinderland des Reinheitsgebotes wird eifrig an solch einem werbeträchtigen Gebräu gewerkelt: Vor zwei Jahren präsentierte Prof. Werner Back am deutschen Wissenschaftszentrum Weihenstephan das Xan-Bier. Während sich seine US-amerikanischen Brau-Wissenschaftskollegen auf die Untersuchungen von Prof. Donald Buhler von der Oregon State University stützten, legte Back die Ergebnisse von Prof. Hans Becker vom Institut für pharmazeutische Biologie der Universität Saarbrücken zugrunde.
Nahezu zeitgleich hatten Buhler und Becker unabhängig voneinander Ende der 90-er Jahre herausgefunden, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Hopfen scheinbar die Krebsentstehung verzögern oder verhindern. Mit detektivischem Gespür fanden sie dann im Wust der analysierten Verbindungen einen wirklich erfolgversprechenden Anti-Krebs-Kandidaten: Xanthohumol.
Homöopathische Dosen
Eigentlich hatte sich Becker nicht mit dem Bier als solchem befasst, sondern mit den vor der Abfüllung abgetrennten phenolischen Stoffen. "Für uns war die Frage, was können diese Stoffe; kann man damit noch etwas anfangen?", sagt der Saarbrücker Pharmazeut. So ließ er u.a. das Xanthohumol von Prof. Clarissa Gerhäuser am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg genauer untersuchen. Sie bestätigte in der Folge in Zellkulturen und Tiermodellen eine ganze Reihe von hemmenden und zerstörerischen Wirkungen des Xanthohumols auf entstehende Krebszellen, also in der Phase bevor ein Tumor wächst.
Dafür haben Gerhäuser und Becker im Oktober den Phoenix-Wissenschaftspreis in Frankfurt bekommen. Am Universitätsklinikum Homburg soll nun weiter erforscht werden, ob und wie sich die Substanz in der Krebstherapie einsetzen lässt. Kein Wunder also, dass die Brauwirtschaft am Fiebern ist. Aber: Im abgefüllten Bier ist Xanthohumol nur in homöopathischen Mengen nachweisbar. Wenn "Schulmediziner" zur Krebsvorbeugung also Bier empfehlen, dann geben sie gleichzeitig zu, dass die von ihnen eher belächelten Homöopathen mit ihrer Meinung recht haben, dass Substanzen auch in kaum nachweisbaren Mengen wirken.
Kein Schutz, keine Heilung
Höher konzentriert ist Xanthohumol nur im teuer zu entsorgenden Brauabfall. Bei Backs Xan-Bier war es dagegen gelungen, die Konzentration durch eine Produktionsänderung auch im abgefüllten Bier zu erhöhen. Ob Bier deshalb vor Krebs schützt, ist aber noch lange nicht bewiesen. Becker: "Unsere Untersuchungen sind keine wissenschaftliche Rechtfertigung, mehr Bier zu trinken." Bereits vor zwei Jahren schrieb er: "Aus den bisher vorliegenden Ergebnissen kann man allerdings nicht ableiten, dass Bier krebspräventiv ist".
Auch Xanthohumol-Entdecker Nummer zwei, Donald Buhler, hielt sich seinerzeit bedeckt: "Ich sage den Menschen nicht, dass sie ihre Krankheiten heilen können, wenn sie Bier trinken." Muss er auch nicht. Das tun bereits die Brauereien und ihre Spitzenverbände als selbsternannte Heiler. So u.a. im Internet unter:
www.brauer-bund.de/presse/pressetexte.php3?categorie=Gesundheit http://www.brauer-bund.de/presse/pressetexte.php3?categorie=Gesundheit
Hopfenforschung wichtiger
Statt Bierforschung wäre hinsichtlich der Krebsvorbeugung wohl eher nun die lange vernachlässigte Hopfenforschung an der Reihe. Denn schon vor fünf Jahren stellte die Deutsche Gesellschaft für Hopfenforschung fest, dass die Sorte Taurus den höchsten Xanthohumol-Gehalt besitzt.