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Alles in allem hat Frankreich bisher eine tolle EM geboten. Und daran haben nicht zuletzt die Franzosen selbst einen großen Anteil.
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Mit den letzten Spielen in der Gruppe F ist am Mittwoch die Gruppenphase der Euro in Frankreich zu Ende gegangen. Zwei turbulente Wochen liegen hinter uns. Und es ist alles in allem gut gegangen. Von dem Polizistenmord in Lyon und den Ausschreitungen zwischen Hooligans abgesehen, haben die Euro-Veranstalter ihrem internationalen Publikum ein großartiges Fußballfest bereitet. Dass dies trotz aller Terror- und Streikwarnungen möglich war und ist, ist nicht bloß auf die Organisation zurückzuführen, sondern auch auf den Menschenschlag, der die Franzosen auszeichnet und der aus einer Mischung aus Selbstbewusstsein, Geduld und Lebensfreude besteht. Es sind dies Tugenden, die so gar nicht zu der Charakterisierung passen, die einmal der österreichische Kabarettist Josef Hader angestellt hatte: "Was können die Franzosen? Außer Wein trinken, keine Fremdsprachen reden und unfreundlich sein?"
Beginnen wir mit dem Wein, der hier ohne Frage den Rang eines Grundnahrungsmittels einnimmt und in rauen Mengen konsumiert wird. Das Interessante dabei aber ist: Geht es um Fußball, verwandeln sich selbst die radikalsten Sommeliers zu passionierten Biertrinkern. Dazu muss man keine großen Studien betreiben, es genügt schon, sich an Spielabenden in den meist gut gefüllten Pariser Beisln umzusehen. Weingläser sucht man da auf den Tischchen, die nicht nur von Touristen bevölkert werden, vergeblich. Gegen Haders Spaßthese spricht aber nicht nur die fußballbedingte Akzeptanz von Bier als Weinersatz, sondern auch der Preis, den selbst Franzosen dafür zu zahlen bereit sind. In der Bar "Le Zinc du Nord" etwa, unweit des Nordbahnhofs, kommt ein Krügel auf saftige 8,60 Euro. Und wer’s glaubt oder nicht: Im "Le Zinc du Nord" spricht der Kellner Deutsch.
Was uns sogleich zur angeblichen Fremdsprachenphobie vieler Franzosen führt. "Welches Bier möchten Sie? 1664?" Sogar die Marke, welches das Gründungsjahr der Brauerei im Namen trägt, konnte der gute Franzose fehlerfrei eindeutschen. Nun ist diese Episode vielleicht nur eine Ausnahme, aber sie zeigt, dass Paris international ist. Vor allem die jungen Leute sprechen zumindest Englisch und scheinen sie als Weltsprache akzeptiert zu haben. Sichtbar wird diese Haltung auch in der Musik, und man muss sich wundern, wie viele Titel im Radio - trotz der Gesetze zum Schutz des Französischen - im englischen Idiom gespielt werden. Der bei der Jugend beliebte Sender NRJ ist da ein gutes Beispiel.
Um wiederum die angebliche Unfreundlichkeit der Pariser auszutesten, bietet sich eine Fahrt mit der U-Bahn an. Auch wenn hier die Stationsnamen wie Stalingrad oder Robespierre nicht viel Freundlichkeit versprühen, so tun dies doch die Menschen. Steigen ältere Personen oder auch Familien zu, wird ihnen ein Platz angeboten. Oder scheint in der teils oberirdisch verkehrenden Linie 2 die Sonne durchs Fenster, kann es vorkommen, dass der Metrofahrer die Passagiere mit einem Ständchen zum Lachen bringt. Aber nicht nur in der Bahn, sondern auch bei den Fahrkartenschaltern trifft man bisweilen auf freundliche Gesichter. Wo das nächste Postamt ist? Kein Problem. Und schon hält man einen ausgedruckten Plan in der Hand. Die Post war übrigens noch um acht Uhr abends geöffnet.