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Big Oil in der Krise

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Laut der Internationalen Energieagentur wird der Ölpreis erst 2020 die 80-Dollar-Marke erreichen. Die großen Energiekonzerne fahren angesichts dramatischer Verluste schon massive Sparprogramme.


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London. Für Umweltschutzorganisationen in aller Welt ist der 28. September ein Jubeltag gewesen. Damals hatte der niederländisch-britische Energie-Riese Shell das Aus für die Probebohrungen am "Burger J"-Areal in der Tschuktschensee bekanntgegeben. Die bisher dort gefundenen Rohstoffvorkommen würden angesichts der hohen Explorationskosten keine weiteren Bohrungen rechtfertigen, hieß es in der eher knappen Mitteilung, die Shell dazu veröffentlichte. Mittelfristig seien zudem keine weiteren Aktivitäten vor der Küste Alaskas geplant. Ziemlich plötzlich und völlig überraschend war damit eines der umstrittensten Bohrprojekte auf diesem Planeten beerdigt worden.

Der Rückzug aus dem Arktis-Projekt, der Shell mehr als vier Milliarden Dollar kosten dürfte, mag eines der sichtbarsten Zeichen dafür sein, wie sehr der seit Monaten um 50 Dollar pendelnde Ölpreis den globalen Energiekonzernen zusetzt. Es ist allerdings bei weitem nicht das einzige. In der erfolgsverwöhnten Ölbranche brechen derzeit überall die Umsätze ein, selbst die ganz Großen der Branche haben mittlerweile Schwierigkeiten, ihre Ausgaben zu decken. Als Chevron, die Nummer zwei in den USA, im abgelaufenen Quartal einen Nettogewinn von zwei Milliarden Dollar und damit ein Minus von mehr als 60 Prozent meldete, wurde das als Erfolg gefeiert. Angesichts der katastrophalen Verluste im Vorquartal hatten die Analysten noch mit deutlich Schlimmeren gerechnet. Auch bei BP stieg der Aktienkurs, nachdem im Oktober ein Gewinneinbruch um 40 Prozent gemeldet wurde.

Zehntausende Jobs gestrichen

Dass es nun nicht noch schlimmer als im Sommer gekommen ist, hat vor allem damit zu tun, dass die Big-Oil-Firmen bereits an allen Enden zu sparen begonnen haben. So wurden seit Jahresbeginn geplante Investitionen in Höhe von knapp 200 Milliarden Dollar gestrichen, was einem Minus von 20 Prozent gleichkommt. Allein bei Chevron sollen weltweit 6000 bis 7000 Mitarbeiter ihren Job verlieren.

In der Branche werden angesichts der Investitionskürzungen und des massiven Stellenabbaus bereits Erinnerung an das Jahr 1986 wach. Damals war der Ölpreis von 30 auf 10 Dollar abgesackt, weil sich die Opec-Staaten mit den nicht zum Kartell gehörenden Förderländern einen harten Preiskampf lieferten. Ebenso wie heute wurde dabei das Angebot massiv ausgeweitet, um die teurer produzierende Konkurrenz unter Druck zu setzen. Die so entstandenen Überkapazitäten wurden jedoch erst nach Jahren beseitigt, abgesehen von der Zeit des ersten Golfkriegs erreichte der Ölpreis erst zur Jahrtausendwende wieder die 30-Dollar-Marke.

Für eine absehbare Zeit auf niedrigem Niveau dürfte der Ölpreis aber auch in den kommenden Jahren bleiben. In ihrem am Dienstag veröffentlichten "World Energy Outlook" prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA) nur einen langsamen Anstieg auf rund 80 Dollar im Jahr 2020. Gegen einen stärkeren Anstieg spricht vor allem, dass das OPEC-Schwergewicht Saudi-Arabien derzeit noch fest entschlossen scheint, die hohen Förderquoten aufrechtzuerhalten. Bei einem Ölpreis-Niveau von 55 bis 65 Dollar könnte zudem in den USA wieder deutlich mehr Schieferöl produziert werden. Die ursprünglich recht teuer produzierende Fracking-Industrie, auf die die Opec mit ihrem Preiskampf abzielt, hat sich dank massiver technologischer Fortschritte als erstaunlich robust erwiesen. In North Dakota, einem der wichtigsten US-Bundesstaaten für die Schieferölförderung, sind die Kosten für die Errichtung eines Bohrlochs binnen vier Jahren um 36 Prozent gesunken.

Preistreiber China

Als Preistreiber dürfte aber auch in der Zukunft China fungieren. Laut der IEA wird die Volksrepublik trotz aller Effizienzsteigerung im Jahr 2040 doppelt so viel Energie verbrauchen wie die USA. Und auch Big Oil selbst könnte wesentlich zu einem Preisanstieg beitragen. Denn die IEA rechnet damit, dass die massive Streichung von Förderprojekten bald zur einer Verknappung und damit einem Preisauftrieb führt.