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Big Spender der Monarchie

Von Christian Hütterer

Wissen
Graf Hans Wilczek (1837–1922) war auf vielen Gebieten hochaktiv.
© Norwegische Nationalbibliothek / Public domain / via Wikimedia Commons

Hobbyforscher, Sammler, großzügiger Mäzen - ein Porträt von Johann Nepomuk Wilczek zum 100. Todestag.


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Er war "ein führender Wille und Geist" und stand überall an der Spitze, "wo es galt, Ruhm und Ansehen für Österreich zu fördern". So schrieb die "Wiener Zeitung" im Jänner 1922 in einem Nachruf auf Hans Wilczek. Wer war dieser Mann, dessen Name damals so bekannt war, heute aber vergessen ist?

Aus einer schlesischen Adelsfamilie stammend, wurde Graf Johann Nepomuk Joseph Maria Wilczek, der sich kurz Hans nennen ließ, am 7. Dezember 1837 in Wien geboren. Die Schule interessierte ihn wenig, aber eine Ausbildung im herkömmlichen Sinn war für den Buben ohnehin nicht notwendig. Die Familie besaß die zweitgrößte Kohlegrube der Monarchie und enormen Grundbesitz. Geld war also ausreichend vorhanden, und so konnte sich der junge Hans seinen vielen Interessen widmen. Ganz vorne stand dabei der Sport: Wilczek galt als einer der schnellsten Läufer seiner Zeit, ruderte, wanderte durch weite Teile der Monarchie und ging gern auf die Jagd.

Schon mit 21 Jahren heiratete er Gräfin Emma Emo-Capodilista, eine Hofdame von Erzherzogin Sophie, und sollte mit ihr vier Kinder haben. Die Ehe machte ihn aber nicht sesshafter. Wilczek verreiste weiterhin oft und kam dabei bis auf die Krim, in den Kaukasus und nach Afrika. 1866 meldete er sich freiwillig für den Krieg gegen Preußen. Als Adeligem wurde ihm eine Stellung als Offizier angeboten, Wilczek soll diese aber ausgeschlagen und vielmehr darum gebeten haben, sich diesen Rang verdienen zu dürfen.

An ihm lag es jedenfalls nicht, dass die Schlacht von Königgrätz für die Österreicher verloren ging, denn er wurde für seinen Mut im Gefecht mit der goldenen Tapferkeitsmedaille dekoriert.

Zum Nordpol

Graf Wilczek auf Nowaja Semlja.
© Internet Archive Book Images / via Wikimedia Commons

In diesem vielseitigen Leben kristallisierten sich im Lauf der Jahre zwei Fachgebiete heraus, für die sich Wilczek besonders interessierte: die Geschichte und die Polarforschung. Weite Teile der Erde waren im 19. Jahrhundert von Europäern erforscht (und dabei auch gleich kolonisiert) worden, aber die schneebedeckten Polargebiete blieben im wahrsten Sinne des Wortes weiße Flecken auf den Karten der Welt. Wilczek war von den Expeditionen in den hohen Norden fasziniert, wollte selbst diese Gegenden sehen, und ein Treffen mit zwei Männern, nämlich Julius Payer und Carl Weyprecht, half ihm, diesen Traum zu verwirklichen.

Payer war ein österreichischer Offizier, ein - wie man heute sagen würde - Extrembergsteiger und hatte bereits mit einer deutschen Expedition Grönland erforscht. Der Deutsche Weyprecht war in die österreichische Marine eingetreten und dort, etwa durch seinen mutigen Einsatz in der Schlacht von Lissa, rasch die Karriereleiter hinaufgeklettert. Gemeinsam wollten sie eine Polarexpedition durchführen, brauchten dafür aber einen Finanzier. Hier kam Wilczek ins Spiel.

Er bezahlte den beiden Forschern eine Fahrt in die Barentssee. Diese Reise war aber nur als Vorbereitung für eine größere gedacht und sollte vor allem dazu dienen, Erfahrungen im Polarmeer zu sammeln. Zugleich gab Wilczek in Bremerhaven ein Schiff in Auftrag, das auf den Namen "Admiral Tegetthoff" getauft wurde und 1872 unter dem Kommando von Payer und Weyprecht zur lang ersehnten Polarexpedition aufbrach.

Wilczek selbst reiste mit einem kleineren Schiff nach Norden und traf vor der russischen Insel Nowaja Semlja mit der "Tegetthoff" zusammen. Am 18. August wurde im hohen Norden auf des Kaisers Geburtstag angestoßen, danach trennten sich die Wege der beiden Schiffe. Wilczek fuhr nach Süden, ging an der russischen Küste an Land und kehrte durch die Taiga und über Sankt Petersburg nach Österreich zurück. Zur gleichen Zeit drang die von ihm ausgerüstete Expedition in bis dahin unbekannte Regionen vor und erreichte schließlich eine Inselgruppe, die als Tribut an den Kaiser "Franz-Joseph-Land" benannt wurde. Das erste Stück Land, das von den Forschern betreten wurde, erhielt als Zeichen der Dankbarkeit den Namen "Wilczek-Insel".

Die "Admiral Tegetthoff" im Packeis.
© Public domain / via Wikimedia Commons / Wilhelm Burger

Die Expedition überwinterte zwei monatelange Polarnächte auf dem von Eis eingeschlossenen Schiff und kam erst 1874 wieder in Wien an. Payer und Weyprecht wurden bei ihrem Einzug in die Stadt als Helden gefeiert, aber das "Extrablatt" setzte Wilczek auf das Titelblatt und betonte, wie wichtig er für dieses Unternehmen gewesen war: "Der hochherzigen Denkweise des Grafen hat unser Österreich das Zustandekommen der dem Vaterland zum Ruhme gereichenden Nordpolexpedition zu verdanken."

Jahrzehnte später ließ sich Wilczek überzeugen, eine Expedition an das andere Ende der Welt, nämlich in die Antarktis, auszustatten. Er kaufte dafür in Grönland 120 Schlittenhunde und brachte sie in der Obersteiermark unter. Die Vorbereitungen liefen gut, doch dann brach der Erste Weltkrieg aus und die Expedition war vorbei, ehe sie noch begonnen hatte. Die Forscher fuhren nicht an den Südpol, sondern an die Front, und Wilczek schenkte die Hunde dem k.u.k. Kriegsministerium, das die Tiere in den Karpaten zum Einsatz brachte.

Wilczeks Interesse an allem, was mit Arktis oder Antarktis zu tun hatte, war nur eine Facette seiner vielschichtigen Persönlichkeit. Eine weitere Leidenschaft war die Geschichte, vor allem das Mittelalter und die frühe Neuzeit. Wilczek war ein geradezu manischer Sammler und am Ende seines Lebens waren mehr als 100.000 Objekte - Waffen, Statuen, Gemälde, Keramiken, Alltagsgegenstände - zusammengekommen.

Modellhafte Burg

Große Teile seiner Sammlung brachte er auf der Burg Kreuzenstein unter, die auch als ein weiteres, wenn auch sehr großes Objekt seiner Sammelleidenschaft gesehen werden kann. Die Burg war im 12. Jahrhundert gebaut worden, im Laufe der Zeit aber verfallen und an die Familie Wilczek gekommen. Erst Hans Wilczek begann 1874 mit der Renovierung der Ruine. Sein ursprünglicher Plan war, nur die Burgkapelle wiederherstellen zu lassen, um dort eine Familiengruft einzurichten. Aber das Projekt wuchs und wuchs und endete schließlich in einem umfassenden Wiederaufbau der gesamten Burg.

Die Burg Kreuzenstein bei Wien, der Traum einer mittelalterlichen Festung.
© Bwag / CC BY-SA 4.0 / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0 / via Wikimedia Commons

Historische Baumaterialen wurden aus ganz Europa zusammengetragen (darunter etwa Teile des Doms von Kaschau/Košice) und in Kreuzenstein zu einer Festung verbaut, die der damaligen Sicht des Mittelalters entsprach. Mehr als dreißig Jahre dauerten die Arbeiten und schon bald nach ihrer Eröffnung wurde die Burg zu einem Magneten für Besucher; der deutsche Kaiser Wilhelm II. und US-Präsident Roosevelt waren die prominentesten unter ihnen.

Kreuzenstein wurde ein mittelalterlicher Themenpark, war aber auch jener Ort, an dem Wilczek große Teile seiner Sammlungen unterbrachte. Nur wenige Jahre nach der Eröffnung schlug allerdings ein Blitz in den Trakt ein, in dem das Archiv und die Bibliothek untergebracht waren. Das Resultat war ein Brand, der zahlreiche Kunstwerke, darunter Bilder von Dürer und Cranach, vernichtete.

Neben seinen kostspieligen Leidenschaften für die Geschichte und die Pole der Erde war Wilczek aber auch als überaus großzügiger Mäzen für soziale Einrichtungen bekannt. Als am 8. Dezember 1881 das Ringtheater am Schottenring brannte, verloren 386 Menschen ihr Leben. Einer der Gründe für die vielen Opfer war, dass es keine medizinische Versorgung für die zahlreichen Verletzten gab. Unter dem Eindruck dieser Katastrophe gründete Wilczek gemeinsam mit dem Arzt Jaromir Mundy und dem Juristen Eduard Graf von Lamezan-Salins die "Wiener Freiwillige Rettungs-Gesellschaft", aus der die noch heute tätige Wiener Berufsrettung entstand.

Graf Wilczek in der Uniform eines Kommandanten der Rettungsgesellschaft (circa 1917).
© Public domain / via Wikimedia Commons / Wilhelm Burger

Wilczek war nicht nur der bedeutendste Finanzier dieser neuen Gesellschaft, sondern rührte auch die Webetrommel für sie. Er organisierte etwa einen Wohltätigkeitsball für die Rettung und es gelang ihm, einen sehr prominenten Unterstützer zu gewinnen: Johann Strauß komponierte speziell für diesen Ball den Marsch "Freiwillige vor!", der dort zum ersten Mal aufgeführt wurde.

Die Wiener Rettung war nicht die einzige medizinische Institution in Wien, die Wilczek ihre Existenz zu verdanken hat. Gemeinsam mit dem bekannten Chirurgen Theodor Billroth gründete er das noch heute bestehende Rudolfinerhaus, ein Spital samt angeschlossener Schule für Pflegeberufe. Daneben verblasst beinahe, dass Wilczek auch die Mensa der Universität Wien und ein Studentenheim ins Leben rief und nach einem verheerenden Erdbeben einen Hilfszug in die sizilianische Stadt Catania organisierte.

Wilczek, der eng mit dem Maler Hans Makart und anderen Künstlern befreundet war, förderte auch zahlreiche andere Projekte, war eine treibende Kraft beim Bau des Heeresgeschichtlichen Museums und setzte sich für den Denkmalschutz in Wien ein.

Hoher Nebenbuhler

In einer zeitgenössischen Beschreibung heißt es über den umtriebigen Wilczek: "So sehen wir den Grafen immer und überall im Vordergrunde bei allen Unternehmungen, welche die Wissenschaft und die Kunst fördern, welche die Milderung der Leidenszustände der Menschheit bezwecken." Dass Wilczek aber auch andere Seiten hatte, zeigen die folgenden Zeilen, die er an eine bekannte Person richtete: "Kathi wie gut warst du in der Nacht zu mir, ich fühle deine Hand sie hat ja meinen ganzen Leib berührt." Sie stammen aus einem Brief an Katharina Schratt: Dass diese Schauspielerin bekanntlich auch die Geliebte von Kaiser Franz Joseph war, machte die Sache besonders pikant.

Der Brief Wilczeks bezieht sich übrigens auf eine Nacht, die er mit Schratt in einer Villa am Wolfgangsee verbrachte, in der auch der Kaiser immer wieder zu Gast war. Die beiden Männer sollen gewusst haben, dass sie Nebenbuhler waren, wahrten aber nach außen den Schein. 1908 wurde Wilczek sogar eine besondere Aufgabe anvertraut: Er sollte den Festzug, mit dem das sechzigste Jubiläum der Thronbesteigung von Franz Joseph begangen wurde, koordinieren. Der Jubilar war mit der Feier zu seinen Ehren sehr zufrieden und soll zu Wilczek gesagt haben: "So etwas hat die Welt noch nicht gesehen und wird sie nicht mehr sehen. Das Ganze war unvergleichlich schön."

Am 27. Jänner 1922 ging dieses facettenreiche Leben zu Ende. Wilczek starb im Palais seiner Familie in der Herrengasse, jenem Haus, in dem er auch auf die Welt gekommen war. Seine letzte Ruhestätte fand er, wie er es geplant hatte, in der Kapelle der Burg Kreuzenstein.

Christian Hütterer, geboren 1974, Studium von Politikwissenschaft und Geschichte in Wien und Birmingham, schreibt Kulturporträts und Reportagen.