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Manipulation kostet Hunderttausenden im Irak das Leben. | Ahmadinejad weltweit beliebter als George W. Bush. | Wien. Die Ära Bush endet mit einem negativen Rekord: Die Zustimmungsrate in den USA fiel mit 18 Prozent auf den tiefsten Wert für einen US-Präsidenten seit Beginn der politischen Umfragen 1957. Internationale Erhebungen ergaben 73 Prozent gegen Bush - sogar der Iraner Ahmadinejad schnitt besser ab.
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Den moralischen Schaden, den Bush seinem Land zugefügt hat, zeigen drei von vielen Urteilen an, die weltweit Schlagzeilen machten: Für Amnesty International ist Guantanamo der "Gulag unserer Zeit". Bushs ehemaliger Außenminister Powell stellte 2006 fest: "Wir haben mit Guantanamo das Vertrauen der Welt in die amerikanische Justiz erschüttert." Und der britische Generalstaatsanwalt Goldsmith: "Die geschichtliche Tradition der USA als Leuchtfeuer von Freiheit und Gerechtigkeit erfordert die Beseitigung Guantanamos."
Bush hat mit dem Irak-Krieg, Guantanamo und der Folterung von Häftlingen die US-Verfassung, das Völkerrecht und die Menschenrechtskonvention missachtet und das Ansehen der USA so arg beschädigt wie keiner seiner 42 Amtsvorgänger. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 erklärte er den "Krieg gegen den Terror". Dem Irak warf er vor, den Terrorismus zu unterstützen und den Weltfrieden durch die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und weit reichenden Raketen zu gefährden. Belege des CIA-Chefs Tenet dafür, dass der Irak über keine Massenvernichtungswaffen verfüge, wischte er vom Tisch; ebenso die gleichen Erkenntnisse der UNO-Waffeninspektion und der internationalen Atomkommission. Trotzdem informierte seine Regierung 75 (von 100) US-Senatoren in geschlossener Sitzung, dass der Irak mit unbemannten Flugkörpern die Ostküste der USA mit chemischen und biologischen Waffen angreifen könne. Obwohl die US-Luftwaffe das als Unsinn klassifizierte, gestattete der US-Senat dem Präsidenten verfassungsgemäß den Angriffskrieg gegen den Irak.
Nachdem dann Bush am 20. März 2003 seinen Krieg gegen den Irak begonnen hatte, fand die von den USA geführte internationale Überwachungsgruppe in Bagdad Beweise dafür, dass der Irak bereits 1991 seine Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen eingestellt hatte.
Ende 2008 bedauerte Bush ganz offiziell, dass er 2002 Falschinformationen mehrerer US-Geheimdienste über den Irak aufgesessen sei. Sein ehemaliger Vize-Verteidigungsminister Wolfowitz schob sogar einen militärischen Offenbarungseid nach - "Wir kannten den Feind nicht" - und nannte Verteidigungsminister Rumsfeld als den Drahtzieher hinter allem Unheil. Dieses Gewebe von Fehlinformation und Manipulation kostete die USA bis jetzt an die 900 Mrd. Dollar und fast 4000 Gefallene sowie nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 500.000 Irakern das Leben.
Verrat an US-Idealen
Verheerend genug, doch Bush verübte weitere Rechtsbrüche, für die der Schreckbegriff Guantanamo steht. Diesen "Gulag unserer Zeit" richtete die US-Regierung 2001 für gefangene Taliban und Al-Kaida-Leute ein. Es kommt nicht darauf an, wie viele Menschen dort wie lange in Käfigen dahin vegetieren, sondern dass die USA - das "Leuchtfeuer von Freiheit und Gerechtigkeit" - diesen Verrat an ihren Idealen und Gesetzen bis heute fortsetzen.
Der vierte Zusatz zur US-Verfassung bestimmt: "Ein Angeklagter hat das Recht auf ein Gerichtsverfahren und einen Anwalt." Und im 14. Zusatz steht, dass "keiner Person der Schutz durch das Gesetz entzogen werden" dürfe. Bush umging diese Regeln, indem er die Häftlinge als "ungesetzliche feindliche Kämpfer" in einem "juristischen Niemandsland" endloser Willkür durch Militärs überließ. Es kam daher einer schallenden Ohrfeige gleich, als 2005 der Bundesrichter Green entschied, dass die Behandlung der Häftlinge in Guantanamo "verfassungswidrig" sei.
Trotzdem setzte Bush 2006 ein Gesetz durch, das die de facto "vogelfreien" Häftlinge in Guantanamo der zivilen Gerichtsbarkeit, den Regeln des Kriegsrechts und damit jedem Rechtsanspruch entzog, indem er sie "Militärtribunalen" überantwortete. Diese Tribunale sind außerhalb jeder Kontrolle Polizei, Ankläger, "Verteidiger" und Richter sowie im Fall von Todesurteilen sogar Henker in einem. Es brauchte allerdings drei Entscheidungen des US-Höchstgerichts, um 2008 diesen Horror abzustellen: Die Häftlinge in Guantanamo haben Anspruch auf den Schutz durch die US-Verfassung und also das Recht, vor zivilen Gerichten ihre Haft anzufechten.
Damit ist jedoch der dritte Skandal nicht vom Tisch: Das Foltern von Häftlingen. Wiederum kommt es weniger auf die Zahl der Gefolterten an, als vielmehr auf die bestürzende Tatsache, dass Bush im März 2008 die Fortsetzung der Folter angeordnet hat. Er schmetterte nämlich mit seinem Veto einen Gesetzesentwurf des Kongresses ab, der den Einsatz des "Waterboarding" (Simulation von Ertrinken) und andere "verschärfte Verhörmethoden" verboten hätte. Bushs Begründung: "Dieses Gesetz würde mir eine der wertvollsten Waffen im Krieg gegen den Terror nehmen."
Bush verstieß also vorsätzlich gegen Artikel 5 der Allgemeine Erklärung der Menschenrecht von 1948: "Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden." Er verhedderte sich aber auch in den Maschen des Kriegsrechts. Weil er einen "Krieg gegen den Terror" führt, stünde den "Kriegsgefangenen" in Guantanamo die Behandlung nach dem Kriegsrecht zu. Genau das verweigert er ihnen aber. Folgerichtig wäre sein "Krieg gegen den Terror" auch kein Krieg.
Bush verstieß nicht nur gegen die US-Verfassung und gegen die Menschenrechtskonvention. Er unterließ es auch, gegen das militärische Willkürregime in Guantanamo und gegen die Folter einzuschreiten. Die Macht dazu gäbe ihm die "Executive Order" - ein Erlass im Rahmen bestehender Gesetze. In einer ARD-Talkshow bilanzierte kürzlich ein amerikanischer Journalist diese moralische Katastrophe der Ära Bush so: "Freiheit war unser größter Exportartikel."
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