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Bilanz nach 100 Tagen: "Spaniens EU-Vorsitz zu passiv"

Von Manuel Meyer

Europaarchiv

Politologen kritisieren schwache Performance. | Madrid. (apa) Als Spanien Anfang des Jahres turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, wurde viel über die "historische" Bedeutung dieses Ereignisses gesprochen. Spanien ist immerhin der erste Mitgliedsstaat, der die EU unter den neuen Regeln des im Dezember in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon zu leiten hat und die damit verbundenen Reformen zahlreicher EU-Institutionen und Posten voranbringen muss. Am Samstag erreicht die spanische EU-Ratspräsidentschaft nun ihren Zenit und Spaniens EU-Staatssekretär Diego Lopez Garrido zieht nach den ersten 100 Tagen naturgemäß eine positive Bilanz. Politische Experten hingegen sparen nicht mit kritischen Äußerungen.


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Die Umsetzung des Lissabon-Vertrags komme schnell voran, ist Staatssekretär Garrido voll des Eigenlobs. Was den Kampf gegen die Wirtschaftskrise und den Aufbau eines neuen Wirtschaftsmodells betrifft, zeigte sich der Politiker ebenfalls äußerst zufrieden. In dieser Frage sei der richtige Weg eingeschlagen worden.

"Ziele nicht erreicht"

Weniger positiv beurteilen Experten die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft. "Spanien konnte auf den Gipfeltreffen bisher wenig Konkretes hervor- und längst nicht alle Vorhaben voranbringen, was einerseits an der neuen Situation unter dem Lissabonner Vertrag liegt, andererseits an dem Gewicht der spanischen Regierung in Brüssel", so Juan Carlos Perreira, Politologe an der Madrider Complutense-Universität. Durch die im Lissabon-Vertrag vorgesehene Machtverschiebung weg von der rotierenden Ratspräsidentschaft und hin zur EU-Kommission, dem neuen ständigen EU-Ratspräsidenten und der neuen EU-Außenministerin habe Spanien weniger Möglichkeiten, eigene Initiativen zu starten. Die wirtschaftliche Lage, die institutionelle Umstrukturierung, aber auch unvorhersehbare Umstände wie das Erdbeben in Haiti, die Finanzkrise in Griechenland oder die erst mit vier Monaten Verspätung verabschiedete neue EU-Kommission hätten dazu beigetragen, dass Spanien viele seiner angekündigten Ziele bisher noch nicht erreichen konnte.

Jose Maria Areilza, EU-Experte am Wirtschaftsinstitut Instituto Empresa, kritisiert, dass Spanien als EU-Ratspräsidentschaft viel zu passiv und schwach auftrete. Gerade in der Griechenland-Krise hätte Spanien mehr Einsatz zeigen müssen und nicht Frankreich und Deutschland das Feld überlassen dürfen. Auch Politik-Professor Perreira bemängelt, dass Spanien zuletzt nur Nebenakteur war. Pereira sieht darin auch eine positive Seite. So könne die Zurückhaltung eine Tendenz aufzeigen, wie die rotierenden EU-Ratspräsidentschaften unter den neuen Regeln des Lissabon-Vertrags zu funktionieren haben. "Ein Nicolas Sarkozy hätte es nicht so hingenommen, dass EU-Außenministerin Catherine Ashton und der neue EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ihm die Show stehlen", so der Politologe.