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Vor der heutigen Auflösung des Nationalrats nutzten die Parlamentsfraktionen am Donnerstag noch einmal die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen: Es galt, zweieinhalb Jahre Regierungsarbeit von ÖVP und FPÖ Revue passieren zu lassen. Unterschiedlich - wie in den vergangenen Jahren auch - fielen dabei die Bewertungen der Regierung und Opposition aus. Einmütig freundliche Töne schlugen die Parteiensprecher lediglich bei der Verabschiedung von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer an. Diese will sich aus der Politik zurückziehen.
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Soviel - fraktionsübergreifende - Dankesworte hat Susanne Riess-Passer wohl schon lange nicht erhalten. Nicht nur ÖVP und FPÖ gaben der scheidenden Vizekanzlerin die besten Glückwünsche mit auf den Weg, sondern auch die Oppositionsparteien.
Riess-Passer selbst hatte zuvor ihre Rede im Nationalrat großteils zum "Danke sagen" genutzt. Ihren Regierungskolleg-Innen, ihrer Fraktion, der Koalitionspartnerin ÖVP und der Opposition, ohne die "Regieren langweilig wäre". "Mein politischer Weg geht jetzt zu Ende", meinte die Vizekanzlerin: "Sie werden mir fehlen."
Mit standing ovations, Küsschen und Blumenstrauß reagierten die Koalitionsparteien, auch SPÖ und Grüne fanden Worte der Anerkennung für Riess-Passer als Person. SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer bedankte sich "namens meiner Fraktion" auch für die Zusammenarbeit. Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen fügte dem seine "persönliche Wertschätzung" hinzu - und ein Geständnis: "Es war immer ein Vergnügen, mit Frau Riess-Passer bei Diskussionen zusammen zu krachen. Sie hatte Argumente."
Weniger freundlich ging es dann bei der Beurteilung der Regierungsarbeit durch die Opposition zu: Vom Scheitern der Koalition und deren Versäumnissen war in erster Linie die Rede.
Im Gegensatz dazu wollte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die umgesetzten Projekte hervorgehoben wissen: Kinderbetreuungsgeld, Abfertigung Neu, Familienhospizkarenz, rasche Hochwasser-Hilfe oder das Erreichen der Nulldefizits im Vorjahr. Dass letzteres heuer nicht gelingen kann, begründete Schüssel mit einer gewandelten Situation: Zu optimistische Wachstums-Annahmen und die Hochwasser-Katastrophe wären die Auslöser.
Wirtschaftsminister Martin Bartenstein wiederum zeigte sich ob seiner wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Bilanz zufrieden. Eine Stärkung des Standortes Österreich sei gelungen, und auch die Beschäftigtenzahl sei die höchste seit 1945, wenn auch die Arbeitslosigkeit Besorgnis erregend sei.
In diesem Punkt setzte die Opposition ihre Kritik an. So warf Alfred Gusenbauer der Regierung vor, falsche Vergleiche zu ziehen. Denn Österreich habe sich seit Antritt der ÖVP-FPÖ-Regierung bei Arbeitslosigkeit und Steuerbelastung schlechter entwickelt als der europäische Durchschnitt, auch der Wirtschaftsmotor laufe im Vergleich langsamer. Das soziale Gefüge innerhalb des Landes habe sich ebenso negativ entwickelt: Die Kluft zwischen arm und reich werde größer; Unfallrentenbesteuerung und Einführung der Ambulanzgebühren täten das Ihre zu.
Die Integrationspolitik der Regierung thematisierte Alexander Van der Bellen. Die Zahl der älteren Menschen steige, die der Arbeitskräfte sinke. Für die Lösung des Problems werde ein ganzes Maßnahmenpaket notwendig sein. Und eine der Maßnahmen sei eine gezielte Zuwanderung.
Von der ÖVP hätte er sich mehr "leadership" gewünscht, meinte Van der Bellen. Denn: "In der Frage der EU-Erweiterung haben Sie sich von den Freiheitlichen anstecken lassen in der Zögerlichkeit."
Als gestiegene Kommunikationsfähigkeit hingegen sieht es ÖVP-Klubobmann Andreas Khol. Die politische Kultur sei besser geworden, meinte er, es gebe einen "besseren, offeneren, transparenteren Diskurs". Eine freiheitliche Regierungsbeteiligung sei weiterhin wichtig, hackte FPÖ-Klubobmann Karl Schweitzer nach. Die FPÖ stehe zur Verfügung.