Neue Kontrollinstanz für börsennotierte Unternehmen.
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Wien. Sie kommen weder in Uniform noch bewaffnet - und trotzdem haben sie das Potenzial, Angst und Schrecken zu verbreiten. Die Prüfer der österreichischen Bilanzpolizei scharren derzeit in den Startlöchern. Ihre Mission lautet: Kontrolle der Bilanzen börsennotierter Unternehmen. Davon betroffen sind derzeit 140 Unternehmen. Geprüft werden erstmals die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2013. Ziel der Prüfungen ist nicht nur die Aufdeckung von Bilanzfehlern, sondern auch die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Berichterstattung ihrer Aktiengesellschaften.
Stunde der Wahrheit
Installiert wurde die Bilanzpolizei mit Inkrafttreten des Rechnungslegungs-Kontrollgesetzes im Juli 2013. Österreich ist damit das letzte EU-Land, das eine derartige Kontrollinstanz eingesetzt hat. Als Kontrollbehörde fungiert die Finanzmarktaufsicht (FMA). Diese prüft, ob die Halbjahresberichte, Jahresabschlüsse, Zwischenmitteilungen, Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte den nationalen und internationalen Rechnungslegungs-Vorschriften (IFRS) entsprechen. Die FMA prüft entweder selbst oder beauftragt die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (ÖPR), einen unabhängigen Verein, mit den Untersuchungen.
"Ab dem Sommer 2014 wird es die ersten Ergebnisse der Prüfungen durch die Bilanzpolizei geben", prognostiziert Klemens Eiter, Partner und Geschäftsführer des Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Unternehmens BDO Austria GmbH. Der Grund: Die diesjährigen Abschlüsse müssen bis spätestens April 2014 vorliegen, und die Prüfdauer wird zwischen sechs und neun Monate betragen, wie die Erfahrungen aus anderen EU-Ländern zeigen.
Vorbereiten sollten sich die Unternehmen freilich schon jetzt. "Wichtig ist, dass alle Dokumente, die den Prüfern übermittelt werden, mit jeglicher wesentlichen unternehmensinternen und -externen Information wie Vorstandsprotokollen, Presseaussendungen und Medienberichten in Einklang stehen und abgestimmt werden", sagt Eiter zur "Wiener Zeitung". "Die Fragen der Prüfer sollten dabei möglichst punktgenau beantwortet werden. Das stellt für die Unternehmen auch in zeitlicher Hinsicht meist eine große Herausforderung dar, da die grundsätzliche Frist für die Beantwortung nur zwei Wochen beträgt." Werden vorsätzlich falsche oder unvollständige Auskünfte oder Unterlagen übermittelt, droht ein Verwaltungsstrafverfahren mit bis zu 100.000 Euro Geldbuße.
Wie nötig Bilanzprüfungen von Unternehmen durch unabhängige Stellen sind, zeigt das Beispiel Deutschland. Die Fehlerrate beträgt dort 20 bis 30 Prozent der geprüften Unternehmen und Abschlüsse.
Drohender Image-Schaden
"Soweit der Vollzug in Österreich ähnlich streng wird, müssen sich die heimischen Konzerne auf unangenehme Nachrichten einstellen", warnt Eiter. Der Grund: Da Österreich die Bilanzpolizei als letztes EU-Land eingeführt hat, müsse das Know-how, das andere Länder über Jahre aufgebaut haben und in Form von europaweiten Fehlerdatenbanken vorliegt, in Österreich sofort umgesetzt werden. "Das fordert eine steile Lernkurve von den heimischen Unternehmen", glaubt der Wirtschaftsprüfer, der die häufigsten Fallstricke nur zu gut kennt: "Fehler resultieren einerseits aus komplexen Regeln zum Beispiel über die Abbildung von Akquisitionen in der Bilanz, der Ermittlung von daraus resultierenden Firmenwerten und nicht oder nicht ausreichend berücksichtigten Abschreibungen dieser Firmenwerte", erklärt Eiter. "Andererseits ist ein wesentlicher Teil der Fehler auf umfangreiche Offenlegungspflichten von zum Teil sensiblen Daten und Informationen zurückzuführen."
Zugleich kann eine Prüfung durch die Bilanzpolizei auch das Firmen-Image in heftige Turbulenzen bringen.
"Ob ein festgestellter Fehler zu veröffentlichen ist, entscheidet die Finanzmarktaufsicht", sagt Eiter. "Den Erläuterungen der Regierungsvorlage entsprechend soll der Kapitalmarkt grundsätzlich umgehend informiert werden und eine Veröffentlichung nur in unwesentlichen ,Bagatellfällen‘ unterbleiben."
Die Folgen für das Unternehmen hängen dann von der Schwere des Fehlers ab. Eiter: "Bei schwerwiegenden Verfehlungen kann eine Ad-hoc-Mitteilung erforderlich sein. Ansonsten droht ein Reputationsschaden bei Investoren und Kreditgebern."