Jetzt ist der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder wieder im Weißen Haus willkommen. Wenn US-Präsident George W. Bush den Kanzler dort am Freitag begrüßt, markiert dies die endgültige deutsch-amerikanische Aussöhnung. Vor eineinhalb Jahren hatte Schröders Nein zu jeder deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg eine bilaterale Eiszeit eingeleitet.
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Der US-Präsident nahm es dem Kanzler übel, dass dieser im Bundestags-Wahlkampf im August 2002 mit dem Konfrontationskurs Punkte machen wollte - und nicht zuletzt mit diesem Nein zum Angriff auf Bagdad den Wahl-Sieg der deutschen Sozialdemokraten sicherte.
Schröder ist bei diesem Standpunkt geblieben. Nach wie vor lehnt Berlin die Entsendung deutscher Soldaten in den Irak ab. Dennoch hat vor Monaten schon Tauwetter eingesetzt. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen selbst ein Händedruck zwischen US-Präsident und deutschem Kanzler eine Top-Neuigkeit war.
Das erste Gespräch nach dem Irak-Streit zwischen Schröder und Bush im September vergangenen Jahres belegte den Willen beider Seiten, zu einem entspannteren Miteinander zurückzukehren. "Unsere Differenzen sind vorbei", hatte Bush schon damals festgestellt. Seitdem haben beide immer wieder den Willen gezeigt, jede Eskalation zu vermeiden.
Die deutsche Regierung hat unter anderem angekündigt, sie wolle sogar ein Engagement der NATO im Irak nicht blockieren. Deutsche Soldaten sollen auch dann allerdings nicht zum Einsatz kommen. Die Entsendung eines Lazarett-Flugzeuges der deutschen Streitkräfte hält Schröder aber unter bestimmten Bedingungen für möglich.
Washington hat diese Signale dankbar aufgenommen. Das Nein zu einem deutschen Irak-Einsatz wird längst akzeptiert. "Es gibt keine Notwendigkeit für deutsche Truppen dort", sagte US-Botschafter Daniel Coats im Vorfeld der Kanzler-Visite.
Auch die deutsche Bereitschaft zum Nachdenken über eine teilweise Streichung der irakischen Schulden von 4,4 Milliarden Dollar (3,50 Mrd. Euro) wurde vom Weißen Haus begrüßt. Weiteres deutsches Engagement zum Wiederaufbau des Irak wird erhofft, selbst wenn die Beteiligung von Unternehmen aus den Ländern der "Kriegsgegner" Deutschland oder Frankreich ein Streitpunkt bleibt.
Berlin zeigt keinerlei Schadenfreude über die immensen Probleme der Besatzungstruppen im Irak, auch wenn es solche Schwierigkeiten vorhergesagt hatte. Umgekehrt würdigt Washington demonstrativ das deutsche Engagement in Afghanistan, das eine Entlastung für die dort eingesetzten US-Soldaten bedeutet.
Seit seinem Amtsantritt 1998 hat sich der deutsche Kanzler von der Devise leiten lassen, dass ein neuer Kurs in der Außenpolitik notwendig ist. Zumindest jetzt akzeptiert auch Washington eine größere außenpolitische Rolle Deutschlands. "Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und als größtes Land in Europa sehen wir Deutschland als Führungsmacht, die zusammen mit uns in Afrika, im Nahen Osten und auf anderen Feldern handelt", erklärte US-Botschafter Coats in seinem Interview.