Österreichs Unternehmen sind bei Engagements in Frankreich zurückhaltend. Für viele Experten zu Unrecht, es gibt aber auch andere Ansichten.
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Wien. Wenn man über Frankreich redet, geht es vor allem um Terror, Bürokratie und Protektionismus, sagt Christian Schierer, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Paris. Oft werde auch die Sprache als komplex bezeichnet. "Man könnte das Gefühl bekommen, dass alles ganz furchtbar schwierig ist." Die Realität sehe anders aus. Frankreich ist für Österreich der drittwichtigste Wirtschaftspartner in der Europäischen Union.
"Wir exportieren Waren um fast sechs Milliarden Euro nach Frankreich, dazu kommt eine Milliarde Euro an Dienstleistungen. Wir generieren hier den weltweit zweithöchsten Handelsbilanzüberschuss: 1,7 Milliarden Euro", sagt Schierer. In den vergangenen sechs Monaten herrschte eine Sit-and-wait-Strategie. "Wir warten ab, wie die Wahlen ausgehen und machen dann unsere Investitionsentscheidung", sagt Schierer. Derzeit gibt es 320 österreichische Unternehmen in Frankreich, die knapp 14.000 Franzosen beschäftigen. Laut einer aktuellen Umfrage sind deren größten Wünsche Bürokratieabbau, Deregulierung, Reindustrialisierung, Dezentralisierung und innovative Zusammenarbeit.
Starkes Wachstum
Schierer ist überzeugt: Das Land habe enormes Potenzial. Die französische Wirtschaft verzeichnete jüngst das kräftigste Wachstum seit knapp sechs Jahren. Frankreich sei nicht nur ein Markt von 66 Millionen Menschen, sondern auch das Tor in die Frankophonie. Von Kambodscha bis Afrika warte in französischsprachigen Ländern ein Markt mit 274 Millionen Menschen, in Summe 340 Französischsprachige. Für österreichische KMU und Hidden Champions sei das eine einmalige Chance, Unternehmen wie Kapsch, Doka, Waagner-Biro oder Wienerberger hätten diese bereits ergriffen.
Es gebe zwei Themen, die für österreichische Unternehmen in Frankreich wichtig sind, sagt Céline Garaudy, Generaldirektorin der Französisch-Österreichischen Handelskammer CCFA: Arbeitsrecht und Gewerkschaften. Das Arbeitsrecht sei komplizierter als in Österreich, eine Zusammenarbeit mit Franzosen sei ratsam. Unter dem Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron, der am Sonntag in der Stichwahl gegen Marine Le Pen antritt, seien Reformen und weniger Streiks zu erwarten. Paris hätte gute Chancen, sich neben London und Frankfurt als einer der führenden Finanzplätze zu etablieren. Kleinen Unternehmen könnte ein besseres Steuerklima und eine europaorientierte Politik zugutekommen. Die Aussichten seien jedenfalls besser als viele denken. "Manche tun so, als wäre Frankreich am Rand des Kollapses. Das ist überhaupt nicht der Fall", sagt Garaudy. Über einen Sieg Le Pens will sie gar nicht nachdenken.
Mario Jung, Volkswirt bei Coface Deutschland, sieht die Situation in Frankreich kritischer: "In den vergangenen Jahren ist viel auf der Strecke geblieben, etwa die Liberalisierung der Güter- und Dienstleistungsmärkte und wirtschaftspolitische Reformen." Der Ausblick auf die kommenden Jahre verspreche keine riesigen Wachstumschancen oder Exportmöglichkeiten für österreichische Unternehmen. "Die Arbeitskosten sind nach wie vor im europäischen Vergleich sehr hoch", sagt Jung. Der Arbeitsmarkt sei zu stark reguliert, wegen des starken Kündigungsschutzes sei der Anreiz für Unternehmen, Mitarbeiter aufzunehmen, gering. Die Staatsquote - der Anteil der Staatsausgaben am BIP - sei mit 56 Prozent zu hoch. Die Rolle von KMU und von Familienunternehmen sei viel schwächer, als in Österreich. Als größtes Problem sieht Jung die Umsetzung der Reformen. "Wenn Macron gewinnt, muss er Mehrheiten in der Nationalversammlung finden. Und das wird schwierig."
Positive Signale
Aus der französischen Wirtschaft kommen aber auch positive Signale. So hat sich laut Jung das Geschäftsklima klar verbessert und es gibt starke Start-up-Aktivitäten, die für den Arbeitsmarkt interessant sind und Innovationen versprechen. Die Geburtenrate sei hoch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gut und die Lage am Arbeitsmarkt habe sich etwas gebessert. "Es gibt also auch ermutigende Anzeichen", sagt Jung.